Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
es befürchtet!«
»Was hat das zu bedeuten, Herr?« Der Anführer der Schwarzen Garde schaute den Tyrannen fragend an.
Der Schwarze Fürst schnaubte. »Das Gebot der leeren Hand stammt aus den unseligen Zeiten, als alles noch eins war und kaum ein Gegensatz herrschte zwischen Gut und Böse. Es dient dem Schutz der armseligen Kreaturen vom Menschenstern, die uns weit unterlegen sind, und besagt, dass wir alle für die Dauer eines Mondes die Hände leeren und die Waffen ablegen müssen. Wir dürfen weder dieses Menschenkind noch uns gegenseitig angreifen, wenn die Voraussetzungen für die ›Leere Hand‹ gegeben sind.«
»Was? Heißt das, wir können diese Hunde nicht angreifen?«
Mit hasserfülltem Blick schüttelte Borboron den Kopf. »Ja. Das uralte Gebot besitzt noch immer Gültigkeit.«
»Und Ihr wollt Euch daran halten?«
Der Tyrann verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Natürlich«, sagte er. »Schließlich könnte der Zeitpunkt kommen, an dem auch wir das Recht der ›Leeren Hand‹ in Anspruchnehmen müssen. Und deshalb: Erteile den Befehl zum Rückzug!«
»Aber…« Der Anführer schien die Welt nicht mehr zu verstehen. »Dann wird dieses Balg uns wieder entgehen – und auch das Schwert des Lichts!«
Ein hämisches Grinsen verunstaltete das Antlitz des Schwarzen Fürsten. »Könnte es nicht sein, dass ich mich noch anders besinne? Das Gebot gilt außerdem nur für uns Krieger – aber nicht für die Geschöpfe, die in unseren Diensten stehen!« Damit blickte er zum Himmel empor, und sein kehliges Lachen hallte weithin über das Tal.
Laura hatte sich mit Elysion, Paravain und Morwena zu den Weißen Rittern gesellt, die am Eingang des Tales lagerten. Alarik begrüßte sie mit einem freundlichen Winken, und auch Schmatzfraß, sein gefräßiger Swuupie, erkannte sie offensichtlich wieder, denn er gab aufgeregte Fieplaute von sich.
Elysion, der sich gegenüber von Laura im Gras niedergelassen hatte, schaute sie mit ernster Miene an. »Ich nehme an, du weißt, weshalb Hellenglanz zerbrochen ist?«
»Natürlich! Der Wächter, dem es anvertraut war, hat es zu einer blutigen Freveltat missbraucht und damit schwere Schuld auf sich und das Schwert geladen – deshalb ist es zersprungen.«
»So war es.« Elysion nickte bedeutungsschwer. »Es war ein großer Fehler, dass ich Hellenglanz unseren Verbündeten auf dem Menschenstern überlassen habe – aber damals glaubte ich nicht anders handeln zu können. Ich bedaure, Laura, dass nun ausgerechnet du die Folgen meines unbedachten Handelns tragen musst!«
»Die Folgen? Welche Folgen denn?«
»Der Schwertträger musste damals einen heiligen Eid ablegen, Hellenglanz nur im Dienste des Lichts einzusetzen und wohlbehalten wieder nach Aventerra zurückzubringen…«
»Ja, und?«
»… und selbst dafür einzustehen, dass dieser Schwur nicht gebrochen wird.«
Langsam begann Laura zu verstehen, und ein unheimliches Kribbeln überzog ihren Körper.
»Du hast das Schwert nach Aventerra zurückgebracht«, fuhr Elysion fort, »und bist damit zum Schwertträger geworden. Deshalb musst du nun auch den Schwur erfüllen und dafür sorgen, dass Hellenglanz von dem unschuldig vergossenen Blut gereinigt wird. Das ist eine äußerst schwierige und ungemein gefährliche Aufgabe.«
»Aber warum muss denn ausgerechnet ich das tun?« Laura konnte ihre Empörung nicht verhehlen. »Das ist doch ungerecht! Ich kann doch nichts dafür, dass dieser Wächter damals Mist gebaut hat. Ich kenne noch nicht mal seinen Namen!«
»Das stimmt, Laura – und ändert trotzdem nichts. Hellenglanz wird uns erst wieder zu Diensten stehen, wenn dieser Frevel gesühnt ist. Dafür kann nur der Schwertträger sorgen – und das bist nun einmal du, Laura!«
Fast verzweifelt schüttelte das Mädchen den Kopf. »Dann wäre es ja besser gewesen, wenn ich nicht danach gesucht hätte?«
»Vielleicht«, antwortete der Hüter des Lichts vieldeutig. »Aber du hast nur das getan, was du tun musstest.«
Laura merkte, wie es in ihr zu brodeln begann. »Und was passiert, wenn ich die Aufgabe verweigere?«
»Dann wird das Schwert des Lichts nutzlos sein für uns, und wir werden deinen Vater wahrscheinlich niemals befreien können.«
In Lauras Kopf drehte es sich. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte. Sie wusste nur, dass das eine verdammte Ungerechtigkeit war! Wütend sprang sie auf. »Aber warum soll denn ich für die Schuld eines anderen Menschen büßen? Ich hab doch nichts
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