Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
den Kopf zugedreht und schaute sie nun vorwurfsvoll an.
Verwundert blieb Laura stehen. »Was ist denn los?«, fragte sie.
»Was soll denn los – «, hob Kaja gerade an, als ihr aufging, dass sie gar nicht gemeint war. Das Pummelchen verharrte an Ort und Stelle und musterte die Freundin mit verkniffenem Gesicht.
Laura nahm ihr das nicht weiter übel. Schließlich konnten nur sie und die anderen Wächter erkennen, wenn Silva oder der Wolf sich auf dem Ölgemälde bewegten. Für alle anderen Menschen war das Bild selbst dann noch völlig unverändert, wenn die beiden daraus hervortraten und leibliche Gestalt annahmen. Kein Wunder, dass Kaja die Freundin stets mit größter Skepsis beobachtete, wenn diese sich wieder einmal mit der geheimnisvollen Wolfsfrau unterhielt.
»Was ist denn los, Silva?«, wiederholte Laura. »Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?«
»Ach!« Die Frau auf dem Gemälde seufzte aus tiefstem Herzen. »Nicht schon wieder, Laura, sondern immer noch!«
Das Mädchen kniff die Augen zusammen. Was sollte das bloß bedeuten? Silva hatte ihr schon den einen oder anderen hilfreichen Tipp gegeben. Allerdings pflegte sie sich meist so orakelhaft auszudrücken, dass es manchmal ziemlich schwierig war, die Bedeutung ihrer Worte zu enträtseln. Wenn Silva doch nur ein einziges Mal klipp und klar sagen würde, was sie meinte!
Doch auch diesmal tat ihr die Weiße Frau den Gefallen nicht. »Wie mir scheint, hast du noch immer nicht gelernt, hinter die Oberfläche der Dinge zu blicken«, fuhr Silva mit trauriger Stimme fort. »Dabei müsstest du doch längst wissen, dass der äußere Schein meist nur dazu dient, den wahren Kern der Dinge zu verschleiern.« Silva schaute auf die Bestie zu ihren Füßen herab, als wolle sie die Meinung ihres Gefährten erfragen.
Und tatsächlich: Wie zur Zustimmung hob der schwarze Wolf den Kopf und stimmte ein Heulen an. Laura glaubte Sehnsucht nach Erlösung aus der schaurigen Weise herauszuhören.
»Ach, ach«, seufzte Silva, und ihre Augen schimmerten tränenfeucht. »Wenn das nur gut geht! Wenn das nur gut geht!« Damit erstarrte sie, und das Bild sah wieder aus wie zuvor.
»Und?« Kaja konnte ihre Neugier nicht länger bezähmen. »Was wollte Silva denn?«
Laura verzog gequält das Gesicht. »Wenn ich das nur wüsste«, antwortete sie nachdenklich. »Ihre Hinweise waren wieder mal so allgemein, dass nur ein Knobelgenie sie verstanden hätte. Aber sie wollte mich bestimmt vor etwas warnen. Irgendetwas braut sich gegen mich zusammen, da bin ich mir ganz sicher.«
»Aber was sollten eure Feinde denn von dir wollen?« Kaja schürzte die Lippen. »Die Dunklen wissen doch, dass du den Kelch der Erleuchtung längst nach Aventerra zurückgebracht hast.«
Mahnend hob Laura den Finger. »Vergiss nicht: Sie sind böse und bekämpfen die Sache des Lichts, wann immer es geht.«
Kaja jedoch schien immer noch nicht überzeugt. »Kann schon sein – aber sie sind bislang noch nie ohne besonderen Grund gegen dich vorgegangen.«
»Du hast Recht.« Laura meinte die Hilflosigkeit, die sie plötzlich befiel, fast körperlich zu spüren. »Aber dass wir den Grund nicht kennen, bedeutet noch lange nicht, dass es keinen gibt.« Sie sah die Freundin eindringlich an. »Ich hab das komische Gefühl, dass hier etwas im Gange ist, Kaja: Und vermutlich kommt es noch viel schlimmer als jemals zuvor!«
Im Büro des Direktors war es fast dunkel. Nur eine Kerze brannte auf dem Schreibtisch, sodass die drei Gestalten, die sich dort eingefunden hatten, nur Schemen glichen. Als Albin Ellerking seinen Bericht beendet hatte, erhob sich Quintus Schwartz aus dem Schreibtischsessel, trat auf ihn zu und klopfte ihm auf den Rücken.
»Gut gemacht, mein Lieber! Die große Meisterin wird sehr zufrieden mit dir sein.« Der Konrektor verzog die Lippen zu einem gönnerhaften Lächeln. Im matten Schein der Kerze schimmerten seine Zähne makellos weiß wie in einem Zahnpastawerbespot. »Wie es aussieht, verläuft alles genau nach Plan.«
Pinky Taxus, die dem Gärtner reglos gelauscht hatte, löste sich aus der Dunkelheit und näherte sich Albin lautlos wie ein Reptil. Die Flamme flackerte im Hauch ihrer Bewegung. Zuckende Schatten geisterten über ihr Gesicht, dem die schmalen Lippen, zu einem verkniffenen Grinsen geformt, das Aussehen einer angriffsbereiten Schlange verliehen. »Du hasst die beiden doch beobachtet, nicht wahr?«, zischte sie, während sie den Nachtalb lauernd
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