Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
erklärt, dass es unwichtig für euch Wächter ist!«
»Ja, schon«, entgegnete Laura gequält, als Minzi ein klägliches Miauen hören ließ.
»Siehst du?« Kaja grinste und kraulte das Kätzchen am Hals. »Minzi ist offensichtlich der gleichen Meinung wie ich und hat bestimmt ebenso wenig Lust, in einem staubigen Museumskeller rumzustöbern. Stimmt’s, Minzi?«
Das Miauen des Kätzchens klang nun geradezu herzerweichend.
»Tut mir Leid«, sagte Kaja, während ihre Miene das genaue Gegenteil verkündete. »Wenn du unbedingt in dieses Museum willst, kann ich dich nicht abhalten. Aber auf unsere Begleitung musst du verzichten! Und jetzt mach endlich! Das Loch in meinem Magen ist schon so groß wie der Ngorogoro-Krater.«
»Bin ja schon fertig«, brummte Laura, bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Ich will nur noch kurz lüften. Ist so verdammt stickig hier drin.«
Als sie das Fenster öffnete, war ihr, als wehe der Wind einen leisen Pfiff an ihr Ohr.
Kaja setzte das Kätzchen auf den Boden. »Du verkriechst dich unterm Bett, solange wir weg sind. Und mach bloß keinen Lärm!«, fügte sie mahnend hinzu.
Schon sah es so aus, als wollte das Kätzchen sich in sein Versteck verziehen, als es mit einem Satz auf Kajas Bett und von da aus auf die Bank des geöffneten Fensters sprang.
»Vorsicht!«, mahnte Laura noch, als das Tier einen weiteren Sprung machte – und wie ein Stein ins Leere fiel!
»Neeeinnn!«, schrie Kaja und stürzte zum offenen Fenster. Voller Entsetzen schauten die Freundinnen in die Tiefe. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Dennoch konnten sie unten auf dem Rasen den Katzenkörper erkennen, der lang ausgestreckt dicht vor den Grundmauern lag. Minzi regte sich nicht mehr. Laura musste gar nicht erst versuchen, Kajas Gedanken zu lesen. Sie wusste auch so, dass die Freundin das Gleiche dachte wie sie:
Minzi ist tot!
Ihre zarten Knochen waren bei dem Sturz aus dem dritten Stockwerk bestimmt zerschmettert worden. Dennoch wollte sie sich nicht in das Unvermeidliche fügen. »Komm.« Laura stieß Kaja an. »Vielleicht können wir ihr doch noch helfen!« Damit hetzten die Mädchen aus dem Zimmer, als wäre Borborons Schwarze Garde hinter ihnen her.
Es konnte kaum mehr als eine Minute verstrichen sein, bis die Freundinnen vor den mit Efeu bewachsenen Außenmauern der Burg standen. Dabei war Laura der Weg, der durch das Treppenhaus, die Eingangshalle und den Innenhof und schließlich um den nordöstlichen Burgtrakt herumführte, mindestens genauso weit erschienen wie die Entfernung zum Mond und zurück. Die Sorge um Minzis Leben hatte ihr das Urteilsvermögen geraubt. Deshalb glaubte sie zunächst an eine Halluzination, als sie nirgendwo eine Spur von dem Kätzchen entdecken konnte. Dabei befanden sie sich genau an der richtigen Stelle, wie ein Blick hoch zum dritten Stock zeigte, wo ihr die leere Öffnung ihres Zimmerfensters in der Burgfassade entgegengähnte.
»Oh, nö!« Kaja schien es ebenso wenig fassen zu können. Verwirrt sah sie sich um. »Das gibt’s doch nicht. Sie… Sie hat sich doch überhaupt nicht mehr bewegt. Nicht einen Mucks hat sie gemacht!«
Laura kniete nieder, um den Rasen näher in Augenschein zu nehmen. Doch nirgendwo waren Blutspuren zu finden, was darauf hindeutete, dass Minzi den Sturz zumindest ohne äußere Verletzungen überstanden hatte. Aber wo war sie nur? Hatte sie sich in die umstehenden Büsche verkrochen? Oder sich in einer durch den Sturz ausgelösten Panik in den angrenzenden Park geflüchtet?
Laura richtete sich wieder auf und spähte angestrengt in die weitläufige Grünanlage, die Burg Ravenstein umgab. Dunkelheit hatte sich bereits über das Land gesenkt – und dennoch hätte das schneeweiße Fell des Kätzchens weithin sichtbar sein müssen. Aber wohin Laura auch blickte – es war nicht die geringste Spur von Minzi auszumachen.
»Minzii«, rief sie und lief ein paar Schritte in den Park hinein. »Miiinziiii – wo bist du?«
Die Freundin tat es ihr gleich. Laut rufend irrten die beiden durch den Park, bis sie schließlich einsehen mussten, dass alle Mühe vergebens war.
Niedergeschlagen machten sie sich auf den Rückweg zur Burg. Bis in die Eingangshalle wechselten sie nicht ein einziges Wort. Stumm passierten sie Seite an Seite das alte Ölgemälde, das gegenüber dem Portal an der Wand hing, als Laura plötzlich Silvas Blick erhaschte: Die traurige Weiße Frau auf dem Bild hatte einen Schritt auf sie zugemacht, ihr
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