Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
ihren Becher ab. »Ja«, sagte sie leise und starrte nachdenklich in die Ferne.
»Und?«, hakte Laura nach. »Was hat er denn ergeben?«
»Dass die Klinge mindestens zweitausend Jahre alt sein muss.«
Zweifel nisteten sich ein auf Lauras Miene. »Zweitausend Jahre?«, staunte sie. »Das ist ja unglaublich.«
»Stimmt.« Rika blickte immer noch versonnen vor sich hin. »Außerdem: Das Metall, aus dem sie geschmiedet ist, gibt den Wissenschaftlern im Labor einige Rätsel auf. Sie konnten es noch immer nicht eindeutig identifizieren.«
Lauras Kenntnisse über Archäologie waren ziemlich begrenzt. »Kommt so was öfter vor?«, fragte sie deshalb.
»Eben nicht!« Die Forscherin trank einen weiteren Schluck, bevor sie fortfuhr: »Die Zahl der Metalle auf unserer Erde ist begrenzt. Außerdem wissen wir inzwischen ziemlich genau, welche davon in welcher Legierung die Menschen der damaligen Zeit zum Waffenschmieden benutzt haben. Deshalb hat uns dieses Ergebnis ja auch so überrascht. Ganz besonders die Vermutung, die einer der Laborleute geäußert hat. Aber darüber zu sprechen ist noch verfrüht.«
Laura musterte die Archäologin nachdenklich. Vermutlich wäre es ein Leichtes, in Rikas Gedanken einzudringen. Zumal sich diese einzig und allein um die geheimnisvolle Schwertspitze zu drehen schienen. Aber Miss Mary und auch Professor Morgenstern hatten ihre Schülerin eindringlich davor gewarnt, ihre besonderen Fähigkeiten aus Selbstsucht zu gebrauchen. Sie durfte ihre Talente nur einsetzen, um der Sache des Lichts zu dienen; selbst das harmlose Training, wie sie es im Bus betrieben hatte, durfte nur darauf abzielen, sich für den Kampf gegen Borboron und seine Verbündeten fit zu machen.
»Aber beim Üben versuche ich doch auch, fremde Gedanken zu lesen«, hatte sie damals eingewandt, war aber sogleich eines Besseren belehrt worden.
»Das ist was anderes«, hatte Morgenstern sie beschieden. »Denn in einem solchen Fall willst du ja nichrs Bestimmtes erfahren. Es steht keine bewusste Absicht hinter deinen Versuchen, und die Erkenntnisse, die du dadurch gewinnst, unterliegen keinem besonderen Zweck.«
Da hatte Laura verstanden. Deshalb entschied sie jetzt auch, auf das Gedankenlesen zu verzichten. »Was hat dieser Forscher denn vermutet?«, fragte sie stattdessen.
»Nun.« Rika atmete tief durch, als fiele es ihr schwer, das Geheimnis zu offenbaren. »Es klingt abwegig, aber er glaubt tatsächlich, Hinweise dafür gefunden zu haben, dass Teile der Legierung von einem fremden Planeten stammen könnten.«
Lauras Augen wurden groß. »Nein!«
Rika lächelte. »Ich war genauso skeptisch wie du. Und dennoch bleibt der Kollege bei seiner Behauptung. Er glaubt sogar, sie bald belegen zu können.«
»Aber…« Laura versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. »Das und auch das Alter des Schwertes würden Ihre schöne Hypothese doch über den Haufen werfen.«
Mit gerunzelter Stirn blickte die junge Frau sie an. »Wieso meinst du?«
»Ganz einfach: Wie Sie neulich erklärt haben, muss Siegfried oder sein reales Vorbild etwa zu Beginn des fünften Jahrhunderts gelebt haben – stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Das Nibelungenlied erzählt, dass Siegfried bei dem Schmied Regin in die Lehre gegangen ist und sich dort sein Schwert geschmiedet hat. Was bedeutet, dass sein Schwert nicht viel älter als eintausendfünfhundert Jahre sein kann und außerdem mit Sicherheit kein Metall von einem fremden Planeten enthält.«
Zu Lauras Verwunderung schüttelte die junge Frau den Kopf. »Nicht unbedingt«, erklärte sie. »Diese Darstellung ist nämlich nur eine von vielen verschiedenen Versionen, die von der Nibelungensage im Umlauf sind. Möglicherweise ist diese Regin-Episode erst später hinzugefügt worden und lediglich als Metapher zu verstehen.«
Laura zog eine Grimasse. »Tut mir Leid, aber da kann ich Ihnen nicht folgen.«
»Dabei ist es doch ganz einfach: Vielleicht wollte einer der vielen Bearbeiter der Nachwelt ja durch seine Hinzufügungen nur deutlich machen, dass auch Helden nichts in den Schoß fällt; dass auch sie sich die besonderen Fähigkeiten, die ihnen später gute Dienste erweisen, erst mühsam aneignen müssen. Also ließ er den Helden Siegfried das Schwert selber schmieden, mit dessen Hilfe er später seine stärksten Feinde besiegte.«
Plötzlich begriff Laura, was Rika damit sagen wollte. »Ach so!«, erklärte sie staunend. So hatte sie die Dinge ja noch nie gesehen. Und plötzlich wurde ihr klar, dass es sich
Weitere Kostenlose Bücher