Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
mal.«
Die Museumschefin kniff die Augen zusammen. »Weshalb sollte er ausgerechnet danach suchen?«
»Ähm«, brummte Laura. Sollte sie der Frau tatsächlich verraten, was Sache war? Lieber nicht! »Weil… Ähm… Weil…« Fieberhaft suchte sie nach einer Erklärung, die plausibel genug erschien, ohne allzu viel zu verraten. »Ach… Das ist viel zu kompliziert, um es mit ein paar Worten zu erklären!«
»Tatsächlich?« Erneut zeigte Frau Wegener ein verkniffenes Lama-Gesicht und beäugte Laura misstrauisch, winkte jedoch schon bald ab. »Ist ja auch egal«, sagte sie. »Schließlich wäre all seine Mühe dann völlig umsonst gewesen.«
»Umsonst?«
Frau Wegener nickte.
»Und wieso?«
»Wegen des Brandes natürlich!«
Offensichtlich konnte Frau Wegener Laura ansehen, dass sie nicht im Geringsten verstand, worauf sie anspielte. »Anfang des letzten Jahrhunderts hat es hier im Museum einen verheerenden Brand gegeben«, fügte sie deshalb rasch hinzu. »Dabei sind zahllose Dokumente und Unterlagen vernichtet worden. Darunter der gesamte Bestand des Lagers und damit auch der komplette Nachlass von Muhme Martha, der dort aufbewahrt wurde. In den Ausstellungsräumen, besonders in den oberen Stockwerken, konnten zum Glück viele Exponate gerettet werden – aber das war nur diesem Mädchen zu verdanken!«
Laura kniff die Augen zusammen. »Welchem Mädchen denn?«
»Das Feuer brach mitten in der Nacht aus – und wurde zufällig von einem jungen Mädchen entdeckt. Wenn es nicht die Glocken geläutet und die Bewohner aus dem Schlaf gerissen hätte, wäre es mit Sicherheit zu einer Katastrophe gekommen. Die ganze Stadt hätte abbrennen können! Die Häuser standen eng beieinander und waren größtenteils aus Holz gebaut. Es war ein äußerst trockener Sommer, die Gebäude hätten gebrannt wie Zunder!« Plötzlich trat Frau Wegener einen Schritt zurück und musterte Laura eingehend von oben bis unten. »Merkwürdig«, murmelte sie dann. »Dass mir das jetzt erst auffällt.«
»Was denn?«
Frau Wegener atmete tief durch. »Leider existiert kein einziges Foto mehr von der Kleinen, die ihren mutigen Einsatz für ihre Mitbürger bedauerlicherweise mit dem Leben bezahlt hat. Sie ist damals in den Flammen umgekommen. Aber wenn die Beschreibungen in den alten Chroniken stimmen – dann muss sie ziemlich genauso ausgesehen haben wie du, Laura! Mehr noch: Sie war dir sogar so ähnlich wie eine Zwillingsschwester.«
Laura konnte Rikas Wagen schon von weitem sehen. Der Landrover parkte neben einem halben Dutzend anderer Fahrzeuge direkt neben dem Eingang zu der abgesperrten Ausgrabungsstätte. Ein gelangweilt Kaugummi kauender Hüne in einem schwarzen Blouson mit der Aufschrift »Security«, der eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase trug, verweigerte Laura den Zugang. Selbst ihr Hinweis auf Rikas persönliche Einladung schien ihn wenig zu beeindrucken. Immerhin sah er sich dann aber doch bemüßigt, einige Worte in das Funksprechgerät zu knurren, das er in der Hand hielt. Laura konnte die knarzende Antwort nicht verstehen. Da die Miene des Zerberus jedoch ein wenig freundlicher wurde und er zur Seite trat, musste sie wohl zu seiner Zufriedenheit ausgefallen sein.
Auf den ersten Blick wirkte das Grabungsfeld ziemlich enttäuschend. Es war nichts weiter als ein Stück ödes Ackerland, vielleicht hundert mal zweihundert Meter groß, das von einem hohen Bretterzaun eingegrenzt war. An einer Seite waren dicht am Zaun drei große Zelte aus grünen Armee-Planen aufgeschlagen, deren Dächer Laura schon am Vortag von der Ruine aus bemerkt hatte. Eine Schar junger Leute, offensichtlich Studenten, ging dort ein und aus.
Der Acker selbst war von ein paar Gräben durchzogen, in denen Laura weitere Frauen und Männer entdeckte. Einige von ihnen trugen zaghaft dünne Erdschichten ab oder pinselten an Steinen und Scherben herum. Andere wiederum standen in einer tieferen Grube in der Mitte des Feldes und waren vorsichtig mit Aushubarbeiten beschäftigt. Zwei Männer bewegten sich langsam über das Gelände und suchten es mit Geräten ab, die an Metalldetektoren erinnerten.
Laura wollte eben nach Rika Reval Ausschau halten, als sie das Krächzen hörte. Verwundert schaute sie auf und erblickte eine einsame Krähe in einem der Bäume des Wäldchens, das das Grabungsfeld auf zwei Seiten säumte.
Der Vogel war riesig.
Seine schwarzen Knopfaugen schienen direkt auf die Besucherin gerichtet zu sein. Beklommen ließ Laura den Blick
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