Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
»Ich weiß, worauf Ihr hinauswollt, Herr«, sagte sie rasch. »Es tut mir Leid wegen neulich. Aber der Tee hätte Euch bestimmt nicht geschadet selbst wenn Ihr zwei Becher davon getrunken hättet.«
»Das habe ich aber nicht.« Elysion erhob sich. »Zum Glück! Sonst hätte ich wahrscheinlich nicht mitbekommen, was Paravain umtreibt. Und dich offensichtlich auch.«
Morwena senkte den Kopf und schwieg.
Der Hüter des Lichts trat dicht an sie heran. »Ist es nicht so, Morwena?«
Die junge Frau atmete tief durch, bevor sie gequält nickte. »Ja, Herr. Auch ich mache mir Sorgen. Darüber, was mit diesem Schwert auf dem Menschenstern geschehen wird, und darüber – «
» – wie es Paravain ergehen mag?«, fiel Elysion ihr ins Wort.
Morwena schnappte nach Luft. »Ihr wisst, Herr?«
»Natürlich! Oder hast du geglaubt, ihr könntet Geheimnisse vor mir haben?« Der greise Mann sah die Heilerin eindringlich an. »Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, was der Ritter vorhat? Er will diesem Mädchen eine Botschaft schicken, damit es sich auf die Suche nach Hellenglanz macht, nicht wahr?«
»Ja, Herr.« Die Heilerin fasste Mut. »Laura muss das Schwert vor unseren Feinden finden, sonst droht uns Unheil. Und deshalb muss er sie unbedingt warnen!«
Nachdenklich musterte Elysion die junge Frau. Kein Ton war zu hören im riesigen Thronsaal von Hellunyat, und selbst von draußen, vom Burghof her, erklang kein einziger Laut, bis der Hüter des Lichts erneut den Mund öffnete. »Und was wäre, wenn genau das Gegenteil einträfe?«
Morwena blieb stumm und wurde kreidebleich.
»Was wäre, wenn uns nur deswegen ein schreckliches Unheil droht, weil er sie zu warnen versucht?«
Die Heilerin schüttelte den Kopf. »Das übersteigt meine Vorstellungskraft.«
»Wirklich? Habe ich dir und Paravain nicht beigebracht, dass alles zwei Seiten hat? Dass das Gute nicht ohne das Böse existieren kann und das Licht nicht ohne das Dunkel vorstellbar ist?«
»Doch, natürlich!«
»Siehst du? Und so beinhaltet jede gute Absicht auch ihr genaues Gegenteil, und es ist nicht immer ausgemacht, was am Ende überwiegt!«
»Ich – «, hob Morwena an, als sie wie vom Blitz gefällt zusammensackte und zu Boden ging. Ihr zierlicher Körper bäumte sich auf und begann zu zucken, mehr und mehr, bis er von wilden Krämpfen hin und her geworfen wurde.
Elysion fiel neben Morwena auf die Knie und barg ihren Kopf im Arm. Während er mit sanften Worten auf die Heilerin einsprach, trug er dafür Sorge, dass sie sich nicht auf die Zunge biss.
Der Anfall war so schnell vorüber, wie er gekommen war. Als Morwena die Augen aufschlug, fühlte sie sich benommen.
Der Hüter des Lichts lächelte ihr beruhigend zu. »Alles in Ordnung?«
Die Heilerin nickte. »Ich… Ich hatte eine Vision.«
Wieder lächelte Elysion. »Ich weiß. Ich habe das schon bei vielen deiner Vorgängerinnen miterlebt. – Was hast du gesehen?«
»Es…« Morwena blickte ihn gequält an. »Es war alles so undeutlich.«
»Das ist es meistens. Versuche dich trotzdem zu erinnern.«
»Da war…« Der Blick der jungen Frau ging in die Ferne und wurde starr. »Da war ein Feuer. Ein mächtiges Feuer…«
»Und weiter?«
»Es brachte den Tod!«
»Wem, Morwena?« Der Hüter des Lichts packte sie hart an den Schultern. »Wem brachte es den Tod?«
Als litte sie unter heftigen Qualen, schüttelte die Heilerin den Kopf. »Ich weiß es nicht – wirklich nicht. Und dann war da ein Drache… und Angst und Schrecken brachen aus.«
»Und sonst? Hast du sonst noch was gesehen?«
»Ein Schwert… Da war noch ein Schwert… Aber es war zerbrochen.«
Elysion wurde blass. »Es war zerbrochen?«
»Ja – in drei Teile.«
»Oh, nein!« Der Hüter des Lichts stöhnte auf und schien wie zu Stein erstarrt, bis er plötzlich aufsprang und die Heilerin hochzog. »Schnell, Morwena!«, befahl er ihr. »Rufe Pfeilschwinge herbei! Wir müssen Paravain warnen, sonst wird Grauenvolles geschehen!«
E in unscheinbarer Ofenschirm rettete Laura das Leben. Der fast mannshohe, aus Stahlblech gefertigte Paravent, der im Winter vor dem Kanonenofen postiert wurde, um die Menschen vor zu starker Hitze zu schützen, stand achtlos an der Wand. Blitzschnell rückte ihn das Mädchen ein Stück davon ab und verkroch sich dahinter. Das schmucklose Utensil erwies sich als wertvolle Hilfe. Es schützte Laura so lange vor der brüllenden Hitze, bis es ihr tatsächlich gelang, durch einen Tunnel aus purem Licht den Weg
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