Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
rothaarige Mädchen ihn ratlos an. Dann endlich schien Kaja ein Licht aufzugehen. »Aha«, sagte sie. »Weil sein Schwert von Generation zu Generation weitergegeben wurde?«
»Eben! Woraus zwangsläufig folgt, dass es sich unter keinen Umständen in der Grabstätte befinden kann. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage: Sollen wir Rika Reval darüber informieren oder nicht?« Er wandte sich an seine Schwester, aber da schnarchte Laura bereits leise vor sich hin. Sie war nicht einmal mehr dazu gekommen, sich auszustrecken, und noch im Sitzen eingeschlafen.
»Ich kümmere mich schon um sie, Lukas.« Kaja nickte dem Jungen aufmunternd zu. »Wenn du in der Zwischenzeit vielleicht Milch für Minzi besorgen könntest?«
»Ja, klar!« Kaum hatte Lukas die Tür einen Spaltbreit geöffnet, als Minzi aufsprang und sich zwischen seinen Beinen hindurchwand.
»Vorsicht!«, schrie Kaja, aber da war es bereits zu spät: Das Kätzchen war auf den Flur hinaus entwischt. In einem verblüffenden Tempo huschte Minzi den Gang entlang und verschwand im Treppenhaus. Selbst Kajas aufgeregte Rufe konnten sie nicht zur Umkehr bewegen. »Dieses Dummerchen«, sagte sie kopfschüttelnd. »Hoffentlich passiert ihr auch diesmal nichts!«
Laura schlief zwei ganze Tage lang, volle achtundvierzig Stunden. Als sie am späten Sonntagnachmittag endlich aufwachte, war ihre Kehle trockener als eine Sandwüste und ihr Magen fühlte sich an wie ein leerer Stausee. Zum Glück war es bereits Zeit fürs Abendessen, wie ihr ein Blick auf den Wecker auf Kajas Nachttisch verriet. Von der Freundin war weit und breit keine Spur zu entdecken. Wahrscheinlich befand sich das unersättliche Fressmonster bereits im Speisesaal. Dafür aber hatte sich Minzi auf ihrem Bett ausgestreckt. Sanft schnurrend döste das Kätzchen vor sich hin.
Laura stieg so leise wie möglich aus dem Bett und holte sich etwas zum Anziehen aus dem Schrank – die Sachen, die sie auf der Traumreise getragen hatte, hatte Kaja ihr offensichtlich ausgezogen und bereits in den Wäschesack gesteckt – und kleidete sich geräuschlos an. Dann schlich sie auf Zehenspitzen hinaus.
Kaum hatte das Mädchen die Tür hinter sich ins Schloss gezogen, als das Kätzchen den Kopf zur Tür wandte. Fast schien es, als wolle es Laura hinterhersehen. Dabei hatte die das Zimmer bereits verlassen.
Laura hatte die große Eingangshalle fast vollständig durchquert, als sie mit einem Mal wie angewurzelt stehen blieb.
Die Wand gegenüber dem Eingangsportal war leer!
Das alte Ölgemälde mit der Weißen Frau und dem Wolf war verschwunden. Die Stelle, an der es gehangen hatte, war kahl, und nur der Staubrahmen, der die Umrisse des Gemäldes nachzeichnete, zeugte noch von dem Wandschmuck.
Unwillkürlich schüttelte Laura den Kopf. Was hatte das zu bedeuten? Was war mit dem Bild geschehen, das die Eingangshalle von Ravenstein laut Burgchronik schon seit Jahrhunderten zierte?
Der Speisesaal war nur spärlich besetzt. Die meisten Internatsschüler fuhren an den Wochenenden nach Hause. Auch Mr. Cool zählte dazu, sodass Laura die Begegnung mit ihm erspart blieb.
Wäre auch zu peinlich gewesen!
Dafür saß Kaja, wie vermutet, bereits an ihrem Platz und stopfte begeistert Hähnchensticks und Pommes Frites in sich hinein. »Hey, Laura«, begrüßte sie die Freundin. »Wurde ja auch höchste Zeit, dass du endlich aufwachst!«
Natürlich hatte das Pummelchen nicht die geringste Ahnung, was mit dem Gemälde geschehen war. Es war ihm noch nicht einmal aufgefallen, dass es nicht mehr am gewohnten Platz hing.
Lukas konnte sich lediglich daran erinnern, dass es bereits am Vortag, am Samstag, abgehängt worden sein musste. Als er sich zum Mittagessen begeben hatte, sei es schon nicht mehr da gewesen.
»Und?« Laura blickte ihn herausfordernd an. »Hast du dich wenigstens erkundigt, was damit geschehen ist?«
»Nein – warum sollte ich?«
»Mann!« Laura verdrehte die Augen. »Und wenn das Bild gestohlen wurde?«
»Dann hätte der Direktor mit Sicherheit die Polizei informiert, und das wäre mir bestimmt nicht verborgen geblieben!«
Laura machte eine abwehrende Handbewegung. Der Kerl konnte sich doch immer herausreden! »Und wenn doch?«, fuhr sie den Bruder verärgert an. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, was mit Silva und dem Wolf passiert, wenn das Bild woanders hingebracht wird? Vielleicht können sie ja nur zum Leben erwachen, solange sich das Gemälde hier in der Burg befindet? Schließlich ist der
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