Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
schlecht gelaunt war.
»Was ist denn los?«, fragte sie ihn bekümmert, nachdem sie an dem Holztisch in seinem Wohnraum Platz genommen hatte.
Attilas ohnehin schon mürrisches Gesicht verfinsterte sich so, als wolle er sich um die Rolle des abscheulichsten aller Oberschurken bewerben. »Die beiden treiben mich noch in den Wahnsinn!«
»Wer denn bloß?«
»Ja, wer wohl?« Attila blaffte Laura an, als sei sie höchstpersönlich für seine miese Stimmung verantwortlich. »Dr. Schwartz und die Taxus natürlich – wer denn sonst?«
Hätte ich mir ja auch denken können!, fuhr es Laura durch den Kopf.
Solange Professor Morgenstern das Direktorenamt ruhen ließ, war Quintus Schwartz Attilas Vorgesetzter, und dass der Konrektor einem Untergebenen das Leben zur Hölle machte, konnte Laura sich lebhaft vorstellen.
»Dauernd fällt ihnen was anderes ein!«, wetterte der Zwergriese mit dem mächtigen Schädel. »Dauernd haben sie neue Aufträge für mich. ›Attila mach dies! Attila mach das!‹ So geht das von früh bis spät. Ununterbrochen kommandieren sie mich herum. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzt: Neulich habe ich die vergammelten Ritterrüstungen, die du vor Weihnachten in der Alten Gruft entdeckt hast, zum Restaurator nach Hohenstadt bringen müssen, zu Meister Reginald Hörrich.«
»Den kenne ich«, warf Laura behutsam ein, um den aufgebrachten Morduk nicht noch mehr zu reizen. »Er lebt ziemlich zurückgezogen in einem umgebauten Bauernhof ganz in der Nähe von unserem Haus. Hörrich kriegt angeblich selbst die verkorkstesten Sachen wieder richtig gut hin.«
»Das mag ja sein«, brummte Attila bärbeißig. »Ich rege mich ja auch nur darüber auf, dass ich sie mitsamt der darin steckenden Knochen dorthin schaffen musste.«
»Was?« Laura traute ihren Ohren nicht. »Du meinst doch nicht etwa die Skelette der vier Ritter, die in der Gruft den Tod gefunden haben?«
»Doch! Genau die!«, ereiferte sich der Hausmeister. »Dr. Schwartz hat mich eigens darauf hingewiesen, dass auch die restauriert werden sollen.«
Laura schüttelte verwundert den Kopf. »Was soll denn der Quatsch?«
»Das frage ich mich auch!« Vor lauter Aufregung hatte Attilas Schädel die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. »Das ist reine Willkür, sage ich dir. Nichts als Schikane!«
Laura konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Attila wirkte unfreiwillig komisch in seinem Zorn. Wer kann ein wütendes Kuschelmonster schon ernst nehmen? »Bleib ganz cool, Attila!«, sagte sie deshalb. »Beruh – « Mitten im Wort brach sie jedoch ab und zuckte entsetzt zurück: Direkt vor ihr war der Kopf einer Boa aufgetaucht, die sie aus schlitzförmigen Pupillen gierig anstarrte, während die gespaltene Schlangenzunge aus dem Maul fuhr und auf Lauras Gesicht zuzischelte!
Minzi, die auf ihrem Schoß saß, miaute kläglich.
»Puuh – du bist das, Cleopatra!« Die angehaltene Luft strömte geräuschvoll aus Lauras Mund. Erleichtert streckte sie die Hand aus und fuhr der Würgeschlange, die gleich einem überdimensionalen Wollknäuel von einem der Holzbalken des deckenlosen Raumes baumelte, zärtlich über den keilförmigen Kopf. »Du hast mich ganz schön erschreckt! Tu so was bloß nie wieder!«
»Sei ihr bitte nicht böse«, ließ der Hausmeister sich vernehmen. »Mein Liebling hat einfach Langeweile. Was ja auch kein Wunder ist. Schließlich habe ich so gut wie keine Zeit mehr für sie. Auch daran sind diese feinen Herrschaften schuld!«
Laura verengte nachdenklich die Augen. Ein Gedanke war ihr gekommen. »Das bringt mich zum Grund meines Besuches: Könnte es sein, dass die beiden auch hinter dem plötzlichen Verschwinden des Gemäl – «
»Ja, natürlich, wer denn sonst! Gestern Morgen, gleich nach dem Frühstück, kam Quintus Schwartz zu mir und hat angeordnet, dass auch das Bild umgehend zu Reginald Hörrich gebracht wird!«
»Was?« Laura zog die Nase kraus. »Wieso das denn?«
»Weil es – angeblich! – umgehend restauriert werden muss! ›Im Laufe der Jahrhunderte…‹« – er äffte die Stimme des Konrektors und dessen überheblichen Gesichtsausdruck nach -»›… ist es verblasst und hat seinen Glanz verloren. Deshalb muss es wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden, damit sich jeder an seiner Schönheit erfreuen kann.‹«
»Komisch.« Laura spielte nachdenklich mit Minzis Schwanz, die sich das geduldig gefallen ließ. »Für mich sah es noch tadellos aus.«
»Natürlich – und deshalb ist es
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