Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Schwarzen Fürsten!« Dann hatte er mit ernster Miene zum Horizont gedeutet, an dem eine Kette schroffer Vulkankegel aufragte. Als Laura den Blick dorthin richtete, begann die Erde unter ihren Füßen zu beben. Gleichzeitig schossen riesige Feuerzungen aus den Gipfeln, gefolgt von mächtigen Rauch- und Aschewolken, die sich wie ein Menetekel vor die Sonne schoben.
Alarik wiederholte seine Warnung. »Hüte dich vor dem Zorn der Drachen, Laura!«, mahnte er, während er zum Horizont blickte. Als habe die Erde sie mit der Asche ausgespien, erschienen dort vier riesige Drachen. Ihre schuppigen Leiber schimmerten aquamarin, flammend rot, sonnengelb und silbrig. Schon wollten sie sich auf Laura stürzen – doch da schreckte sie aus dem Schlaf auf.
Nachdenklich starrte Laura in den glimmenden Aschehaufen ihres Lagerfeuers. Was hatte dieser merkwürdige Traum bloß zu bedeuten?
Ihr Bruder Lukas war fest davon überzeugt, dass es sich bei Träumen um Botschaften des Unterbewusstseins handelte. Nicht selten, hatte er Laura erklärt, sendet es dem Träumenden Hinweise auf eine drohende Gefahr. Aber wenn Lukas Recht hatte – weshalb hatte sie dann von den Schwarzen Reitern und den Drachen geträumt? Dass diese unbarmherzig Jagd auf sie machten und nicht einen Augenblick zögern würden, sie zu töten, wusste sie doch längst! Schließlich war sie ihnen schon mehrere Male erst in allerletzter Sekunde entkommen.
Wozu dann dieser Traum? Und warum war Alarik darin vorgekommen?
Laura blickte versonnen vor sich hin und seufzte. Vielleicht gab es ja auch Träume, die keine tiefere Bedeutung hatten und einen nur deshalb heimsuchten, weil man sich intensiv mit bestimmten Dingen beschäftigte. Wie eben mit den Schwarzen Reitern, vor denen Laura seit ihrer Ankunft in Aventerra auf der Hut war. Und natürlich musste sie seit den schrecklichen Ereignissen im Fatumgebirge auch ständig an den zweiköpfigen Drachen denken, der Alarik geschnappt hatte. Allein die Erinnerung daran trieb ihr den Angstschweiß auf die Stirn.
Der tapfere Knappe hatte sein Leben verwirkt, weil er sie vor dem gefräßigen Ungeheuer retten wollte! Den Anblick des Jungen, der hilflos im Maul des Ungeheuers zappelte, würde sie bis an ihr Lebensende nicht vergessen.
Als Laura diese Gedanken verscheucht hatte, dämmerte es bereits. Im Osten schmückte ein schmales Band aus grauem Licht den Horizont. Höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen und mit der Suche nach dem geheimnisvollen Sterneneisen zu beginnen. Obwohl Laura nicht wusste, wohin die Suche sie führen würde, war sie sicher, dass ein weiter, gefahrvoller Weg vor ihr lag. Wie das heimtückische Gift einer Natter wollten sich erneut Zweifel und Ängste in ihr ausbreiten. Ob ich das Sterneneisen jemals finden werde?, grübelte sie, als ihr wie aus dem Nichts der Lieblingsspruch ihrer Großmutter Lena in den Sinn kam. Marius, ihr Vater, hatte ihn gelegentlich zitiert: »Wer nicht anfängt, wird nicht fertig!« Laura grinste unwillkürlich. Wie Recht Oma doch hatte! Sie rappelte sich so hastig auf, als habe sie nicht eine Sekunde zu verlieren, weckte den Swuupie und legte Holz auf die Feuerstelle. Dann kniete sie davor nieder und blies in die Glut, um das Feuer neu zu entfachen. Sie war so beschäftigt damit, dass sie das seltsame Geschöpf gar nicht bemerkte, das sich am Rande der Lichtung hinter einem Baum versteckt hielt und sie beobachtete. Es glich einem grauen Schemen, dessen Konturen mit dem Dunkel des Waldes verschmolzen. Obwohl das Wesen über einen Kopf, einen Rumpf und je zwei Arme und Beine verfügte, veränderte es, gleich einem Nebelschwaden, unablässig die Gestalt. Nur die Augen waren deutlich auszumachen: Sie glichen glühenden Kohlen und waren unverwandt auf Laura gerichtet.
D er letzte Schultag begann mit prächtigem Sommerwetter. Die Sonne zeigte sich von ihrer besten Seite und brannte schon weit vor acht Uhr so heiß vom wolkenlosen Himmel, als wolle sie das Ende des Schuljahres mit einem Freudenfeuer begrüßen. Die Ziegeldächer von Burg Ravenstein glänzten wie bonbonrotes Geschenkpapier auf den Internatsgebäuden, deren altehrwürdige Mauern silbriggrüne Efeuranken schmückten. Beim Frühstück im großen Speisesaal waren Lehrer und Schüler in allerbester Stimmung. Unbeschwertes Geplauder war zu hören, Frotzeleien machten die Runde, und sorgloses Gelächter ertönte. Die Heiterkeit war fast mit Händen zu greifen und ließ die Luft summen und vibrieren. Kein Wunder – nur
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