Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
ich, dass sie immer noch unter dem ganz besonderen Schutz steht, den das Gebot der ›Leeren Hand‹ ihr gewährt.«
»Was du nicht sagst, Alarik von Gleißenhall!« Borboron schob Syrin rüde zur Seite. »Das mag ja seine Richtigkeit haben…« – Er wandte sich wieder dem Jungen zu – »… aber könnte es nicht sein, dass du etwas übersiehst? Eine winzige Kleinigkeit vielleicht?«
Alienor hielt den Atem an. Das Antlitz ihres Bruders verfärbte sich »Was… Was meint Ihr, Herr?«
»Nun.« Als belustige die Angst, die Alarik ins Gesicht geschrieben stand, den Herrscher nur, ließ der erneut ein gespensterhaftes Lächeln sehen. »Wie mir scheint, hast du vergessen, dass das Gebot der ›leeren Hand‹ allein für mich und meine Krieger gilt – jedoch keineswegs für die zahlreichen Geschöpfe, die auf unserer Seite stehen – habe ich nicht Recht, Alarik von Gleißenhall?«
Natürlich!, dachte Alienor. Borboron hat Recht. Bestimmt hat er seine widerwärtigen Kreaturen längst auf den Weg geschickt, damit sie Laura mit aller Macht von ihrer Aufgabe abbringen.
Alarik war zusehends blasser geworden. »Ihr glaubt doch nicht im Ernst«, sagte er, um Tapferkeit bemüht, »dass die etwas ausrichten können gegen Laura? Mit der Kraft des Lichts wird sie jedes Hindernis überwinden, und sei es auch noch so groß. Zumal…« Er schien einen Augenblick nachzusinnen, bis sich seine vollen Lippen plötzlich zu einem ebenso breiten wie zufriedenen Lächeln verzogen.
Was nicht nur Alienor, sondern offensichtlich auch Borboron ein Rätsel aufgab. »Du verkennst den Ernst deiner Lage«, hob der Tyrann an, die Augen von roter Glut gefärbt. »Sonst würde dir das Lachen vergehen.«
»Ganz im Gegenteil, Herr.« Alarik strahlte nun fast. »Ich weiß, dass ich keine Gnade von Euch zu erwarten habe. Aber ich weiß jetzt auch, dass Laura das Orakel der Silbernen Sphinx gelöst haben muss! Sonst würdet Ihr doch nicht so viel Aufhebens um sie machen!« Ein Gefühl des Triumphes ließ ihn strahlen. »Und ich schwöre Euch: Der Tag ist nicht fern, an dem sie ihren Vater befreien und Euch für Eure schändlichen Taten zur Rechenschaft ziehen wird!«
Oh nein!, schrie eine Stimme in Alienor auf. Damit hat Alarik sein Leben verwirkt.
»Wie lange wollt Ihr Euch diese Unverschämtheiten denn noch bieten lassen, Herr?«, geiferte Syrin, bebend vor Zorn. »Tut endlich, was Ihr schon gestern Abend hättet tun sollen. Tötet diesen Knaben, denn er wird uns nichts verraten können, was wir nicht ohnehin schon wissen. Selbst wenn er der Sohn von König Malik ist, ist er vollkommen nutzlos für uns!«
»Du irrst, Syrin.« Beinahe belustigt schüttelte der Tyrann den Kopf. »Dein grenzenloser Zorn scheint dir die Sinne zu vernebeln. Zumindest trübt er dein Urteilsvermögen – und das zum wiederholten Male. Sonst hättest du auf Anhieb erkannt, dass der Junge wie geschaffen ist für meinen Plan.«
Der hünenhafte Tyrann packte Alarik an den Schultern, zog ihn vom Stuhl hoch und drehte ihn um die eigene Achse. »Schau dir den Jungen doch nur an! Er ist groß und kräftig und gewiss auch ausdauernd und zäh’. Und dass er über großen Mut verfügt, hat er doch gerade eindrucksvoll bewiesen, nicht wahr?«
Syrin deutete ein Nicken an.
»Deshalb kann ich mir niemanden vorstellen, der besser für unsere Zwecke geeignet wäre als Alarik – habe ich nicht Recht?«
»Äh«, stammelte die Gestaltwandlerin, bevor sie sich wieder fasste. »Natürlich, Herr, natürlich!«
Zufrieden lächelnd schob er den Jungen auf die Gestaltwandlerin zu. »Dann sorge dafür, dass er der Sklavenaufseherin übergeben wird!«, befahl er ihr barsch. »Und zur Hölle mit ihr, wenn sie nicht gut auf ihn aufpasst, bis er mit dem nächsten Transport in die Feuerberge verfrachtet wird!«
S chnurgerade Stuhlreihen waren in der Turnhalle aufgebaut. Die Lehrer und Schüler hatten Platz genommen und blickten erwartungsvoll auf das Rednerpult, das schräg unterhalb des Basketballkorbs an der Stirnseite des Raumes stand. Doch die buschigen Lorbeerpflanzen, die es wie stumme Bodyguards links und rechts flankierten, zierten nur ein leeres Pult. Noch immer war keine Spur von Professor Aurelius Morgenstern zu sehen. Und auch Miss Mary Morgain und Percy Valiant ließen noch auf sich warten.
Lukas wurde langsam unruhig. Besorgt warf er einen Blick auf die Armbanduhr: bereits zwanzig Minuten nach zehn! Irgendetwas stimmt da nicht, flüsterte ihm eine innere Stimme zu. Die
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