Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
Flüstern brachte den Jungen in die Gegenwart zurück. »Ich habe Informationen, die euch vielleicht helfen könnten. Deiner Schwester und besonders dem Professor. Deshalb würde ich dich gerne treffen.«
»Klaromaro!« Lukas’ Herz machte einen Sprung. »Und wo?«
»Du weißt doch, wo Laura von dieser Harpyie angegriffen wurde?«
Der Junge runzelte die Stirn. »Meinen Sie den Alt –«
»Pssst!«, fuhr die Archäologin hastig dazwischen. »Keine Namen! Soll doch niemand wissen, wo wir uns treffen.«
»Ja, klar«, brummte Lukas und ärgerte sich, so unbedacht gewesen zu sein. »Und wann?«
»Sagen wir – um Mitternacht? Oder ist dir das zu spät?«
»Quatsch!«
»Schön.« Die Anruferin klang erleichtert. »Aber falls dir etwas dazwischenkommt, sag mir bitte rechtzeitig Bescheid. Du hast doch meine Handynummer?«
»Logosibel!«, antwortete der Junge und konnte es kaum erwarten, Rika Reval endlich wiederzusehen.
E ileenas Hütte war in schummriges Dunkel getaucht. Durch die schmalen Fensteröffnungen sah man nur das Schwarzgrau der Nacht. Das Holzfeuer unter dem bauchigen Eisenkessel war bis auf wenige Flämmchen heruntergebrannt. Die alte Magd und ihre beiden Gäste saßen auf dem Boden vor der Feuerstelle. Gleich daneben hatte sich Schmatzfraß zu einem Knäuel zusammengerollt und schnarchte leise vor sich hin. Dampf stieg aus dem rußgeschwärzten Kessel, und der würzige Geruch eines Kräutertees waberte durch den kleinen Raum, in dem Eileena kochte, wohnte und schlief. Mit einer Schöpfkelle füllte die Alte zwei irdene Becher und reichte sie ihren Besuchern.
»Danke, Eileena.« Laura ergriff das Trinkgefäß. »Und vielen Dank auch, dass wir bei Euch übernachten dürfen.« Vorsichtig probierte sie das heiße Gebräu. Es war herb und hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf der Zunge. Während Laura den Becher absetzte, schaute sie Eileena forschend an. Die hatte sich inzwischen Nadel und Faden geholt und flickte nun den Riss in Alariks Lederwams. »Ihr macht das offensichtlich nicht zum ersten Mal«, bemerkte Laura beim Blick auf Eileenas geschickte Finger.
»Gewiss nicht.« Die Magd lächelte versonnen. »Die Handarbeit hat mir schon als Kind Spaß gemacht. Und diese Jacke ist doch erst einen Sommer alt, sodass es sich mit Sicherheit lohnt, sie wieder in Ordnung zu bringen.«
Laura zögerte, bevor sie das vorherige Gesprächsthema wieder aufnahm. »Ihr wisst also wirklich nicht, warum die Drachen diesen Fluch über uns Menschen verhängt haben?«
»Nein.« Die Alte schüttelte das Haupt. Sie hatte das Kopftuch abgelegt, sodass ihr schütteres graues Haar bis auf die Schultern hing. Der schwache Widerschein der Flammen malte rötliche Flecken auf ihr Gesicht. »Selbst Elysion scheint den Grund dafür nicht zu kennen. Jedenfalls hat er nie ein Wort darüber verlauten lassen.«
»Schade«, murmelte Laura enttäuscht, bevor sie wieder in nachdenkliches Schweigen versank.
Venik, der Laura und Eileena gegenübersaß, beobachtete die beiden verstohlen, während er sich an dem Kräutertrank labte.
»Du brauchst dich nicht zu grämen.« Die Alte hielt mit dem Flicken inne und legte die Hand behutsam auf den Arm des Mädchens. »Auch wenn es diesen Fluch nicht gäbe, würdest du es kaum schaffen, in den Besitz von Sterneneisen zu gelangen.«
»Aber ich muss das Sterneneisen unbedingt bekommen!« Laura hatte die Worte fast verzweifelt herausgeschrien. »Ganz egal wie!«
»Aber wie stellst du dir das vor, Laura?« Eileenas Frage verriet Sorge. »Selbst Borboron ist bisher immer daran gescheitert. Und du kannst sicher sein, dass er alles versucht hat. Nicht einmal vor List und Heimtücke ist er zurückgeschreckt. Doch die Macht der Drachenkönige ist groß, vor allem in ihrem eigenen Reich. Innerhalb seiner Grenzen vermag niemand gegen sie zu bestehen. Schon der Versuch, gegen sie vorzugehen, käme einem Selbstmord gleich.« Eileena beugte sich näher zu dem Mädchen und strich ihm tröstend über das Haar. »Ich kann deine Enttäuschung ja verstehen, aber du musst dir dieses Unternehmen aus dem Kopf schlagen.«
»Das kann ich nicht, Eileena, selbst wenn ich es wollte. Ich darf meinen Vater nicht im Stich lassen, und deshalb muss ich alles versuchen, um meine Aufgabe zu erfüllen.« Feierlicher Ernst schwang in Lauras Stimme mit. »Selbst wenn ich daran scheitern sollte.«
Die Alte schwieg. Während sie das Mädchen eindringlich musterte, nahmen ihre Augen einen feuchten Schimmer an. War es
Weitere Kostenlose Bücher