Laura Leander 04 - Laura und der Fluch der Drachenkönige
vielmehr. »Wenn ich um die Belohnung bitten dürfte?«
»Die Belohnung?« fragte Aslan in betont freundlichem Ton. »Welche Belohnung denn?«
»Die Euer Gebieter uns versprochen hat, Herr Aslan.«
»Ach so«, entgegnete der Krieger leichthin, während ein vieldeutiges Lächeln um seine schmalen Lippen spielte. »Diese Belohnung meinst du!« Damit gab er seinen Männern einen Wink.
Zwei von ihnen lösten sich aus dem Trupp und ritten auf ihren Anführer zu. Sie hatten schwere Lederpeitschen in ihren Händen, die sie grinsend über den Köpfen kreisen ließen.
Immer noch lächelnd wandte Aslan sich an die Sklavenjäger. »Wenn Ihr die Belohnung meint, die ungehorsamen Sklaven zuteil wird, dann wollen wir Euch gerne zu Diensten sein.«
Die Augen der Jungen wurden starr vor Entsetzen. Wie verängstigte Kaulquappen starrten sie auf die Peitschen, deren Knallen die Luft wie scharfe Schwerthiebe zerschnitt. Verängstigt duckten sie sich und rückten näher zusammen.
Kroloff und seine Männer dagegen wendeten wortlos ihre Steppenponys und preschten ohne Abschiedsgruß davon, während Aslan ihnen höhnische Blicke hinterherwarf. Dann wandte er sich an die Sklaven. »Kommt mit!«, herrschte er sie an. »Wir bringen euch zu eurer Unterkunft – und dann wird euch eure Arbeit zugewiesen. Los, marsch!« Damit sprang er auf sein Satansross und trieb die Knaben vor sich her.
Wahrend sie den Talkessel durchquerten und auf die Hütten zustolperten, ließ Alarik den Blick schweifen. Er erspähte zwei Jungen in zerlumpten Gewändern, die aus einer schmalen Öffnung in der Felswand ins Freie traten. Mit vereinten Kräften schleppten sie einen Weidenkorb. Er war mit Steinen und Felsbrocken gefüllt, die sie sorgsam auf dem Boden verteilten.
Eigenartig, ging es dem Knappen durch den Kopf. Warum machen sie sich so viel Mühe und schütten den Dreck nicht einfach auf einen Haufen? Und warum schenkte keiner der Krieger den beiden auch nur die geringste Beachtung? Dabei trugen die Jungen keinerlei Fesseln, die sie am Davonlaufen hindern könnten.
Seltsam, überlegte Alarik. Warum sind Borborons Männer sich so sicher, dass sie nicht flüchten? Noch während er diesem Gedanken nachhing, bemerkte er die dunklen Schatten, die über den Sklaven gaukelten. Völlig geräuschlos schwebte eine halbes Dutzend Flugspinnen über dem Leuchtenden Tal! Sie hatten die haarigen Beine eng an den Körper gezogen und schlugen mit den beinahe dreieckigen Flügeln so gemächlich, dass sie an mächtige Rochen erinnerten. Nur, dass sie keine Stachelschwänze trugen und nicht durch die Wellen eines Ozeans, sondern durch das Blau des Äthers glitten! Obwohl sie sich in einiger Höhe bewegten, meinte Alarik zu erkennen, dass die vier Augenpaare, über die jedes der fliegenden Monster verfügte, stetig auf den Boden gerichtet waren, damit ihnen dort nichts entging. Schon beim geringsten Anzeichen einer Flucht würden sie auf die Jungen herabstoßen und sie mit ihren klebrigen Spinnfäden einfangen, aus denen es kein Entrinnen mehr gab. Verzweiflung stieg in Alarik auf. Ob er seine Schwester jemals wiedersehen würde?
Laura staunte. Der Wald, den Venik und sie erreicht hatten, sah genauso aus wie der Märchenwald in ihrem Traum. Obwohl das fahle Grau der Dämmerung zwischen den mächtigen Bäumen stand und die weiten Kronen schwindendes Licht behüteten, gab es für Laura keinerlei Zweifel: Das Unterholz, die riesigen Farne und die übergroßen Fliegenpilze unterschieden sich nicht von denen, durch die sie in der Nacht zuvor geschritten war. Die Laub- und Moderschicht auf dem Boden war so dick, dass sie selbst die Tritte der beiden Reittiere dämpfte. Hätte Laura auch nur noch einen Rest an Zweifel besessen, er wäre spätestens in dem Augenblick verflogen, als sie auf einer Lichtung ein Gemäuer gewahrte.
D ie R uine eines kleinen S chlosses!
Keine drei Minuten später hielten Laura und Venik davor an, sprangen aus den Sätteln und musterten das zweistöckige Bauwerk. Laura kam es so vor, als sei es direkt einem der Gemälde von Caspar David Friedrich entsprungen. Große Löcher klafften in den aus Feldsteinen gefügten Außenwänden und im Dach, Fensterscheiben waren zerbrochen oder fehlten ganz. Efeuähnliche Pflanzen und großblättrige Weinranken krochen über die Mauern. Der schlanke Turm an der Ostseite machte einen überraschend intakten Eindruck.
Venik blickte Laura fragend an. »Ob hier jemand wohnt?«
»Keine Ahnung. Schauen wir doch
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