Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
seinen Verdacht für sich behalten. Nicht einmal Marius Leander hatte er offenbart, welches Schicksal seine Tochter aller Voraussicht nach erwartete. In all den Jahren hatte er gehofft, dass Laura diese große Prüfung vielleicht doch erspart bleiben würde.
Er wusste nun, dass diese Hoffnung vergeblich war!
Wenn er die Zeichen richtig deutete, dann war das Mädchen fest entschlossen, das Geheimnis um den Unfall von Anna Leander zu lösen. Niemand würde Laura davon abhalten können. Weder ihr Vater noch ihr Bruder und schon gar nicht er selbst. Lauras Liebe zu ihrer Mutter war so groß, dass sie nicht einmal ihm, dem Anführer der Wächter, gehorchen würde.
Bei diesem Gedanken seufzte der alte Mann. Alles deutete daraufhin, dass Laura es schon bald mit einem Gegner zu tun bekommen würde, den bislang noch niemand besiegt hatte.
Kein Wächter und kein Krieger des Lichts.
Nicht einmal Elysion, der mächtige Hüter des Lichts, hatte es je gewagt, ihm die Stirn zu bieten. Was kaum verwunderlich war, denn wer war schon stärker als der Tod?
In diesem Augenblick vernahm Aurelius Morgenstern einen Schrei. Wie der verzweifelte Ruf eines mächtigen Ungeheuers erklang er aus weiter Ferne, aus einer Welt jenseits von Raum und Zeit. Da wusste der Professor, dass etwas Grauenvolles geschehen würde. Erneut seufzte der greise Mann. In seinem langen Leben hatte er stets den Glauben an die Kraft des Lichts bewahrt. Jetzt aber verspürte er zum ersten Mal das nagende Gefühl des Zweifels in seinem Herzen. Die Stunde war nicht mehr fern, in der sich Lauras Schicksal erfüllen würde. Und mit ihm war das Schicksal der ganzen Welt verwoben. Aber was das Schlimme daran war – Laura würde ganz auf sich allein gestellt sein. Weder er noch die anderen Wächter würden ihr eine große Hilfe sein können. Sie konnten nur dafür sorgen, dass Quintus Schwartz und seine dunkle Brut ihr nicht allzu viele Probleme bereiteten.
Mit diesem Gedanken legte Professor Morgenstern sich wieder ins Bett. Nach einiger Zeit übermannte ihn die Müdigkeit, und er schlief tief und traumlos. Noch ahnte er nicht, dass Laura Leander ausgerechnet durch seine Schuld in allergrößte Lebensgefahr geraten sollte.
Laura schloss die Augen und bemühte sich, die furchtbare Szenerie auszublenden: die grässlichen Schreie der Skelette und das unheilvolle Zischen der Sensenblätter, die sie stets nur um Millimeter verfehlten; das schaurige Geräusch der Knochen, wenn die Ausgeburten der Finsternis zerschmettert wurden; das Gebrüll von Latus und Lateris, die sich den Angreifern todesmutig in den Weg stellten; das Rauschen der Schwingen und das wütende Peitschen der Löwenschwänze – all das musste sie ignorieren, wenn sie Lukas und sich selbst retten wollte.
Laura konzentrierte sich, bis nur noch ein Gedanke in ihrem Kopf Platz hatte – der Gedanke an das unscheinbare Fläschchen in ihrer Anoraktasche, in dem sich die Essenz aus den Blättern der Lichtrose befand. Beuge dich meinem Willen, füge dich der Kraft des Lichts!, beschwor sie es. Sei mir Untertan, und löse dich aus meiner Tasche!
Nach einer Weile regte sich etwas in ihrem Anorak, ganz leicht nur, aber deutlich spürbar. Schließlich glitt das Fläschchen aus der Tasche heraus, um dann, geleitet durch die Kraft ihres Willens, frei in der Luft vor ihr zu schweben.
Das Mädchen unterdrückte jedes Gefühl der Freude, denn noch war das Werk nicht vollbracht. Eindringlich starrte es das Behältnis an, dessen Korken sich, wie von unsichtbarer Hand bewegt, langsam aus dem Flaschenhals löste. Kaum besprengte das Fläschchen die Geschwister mit einigen Tropfen der Lichtrosen-Essenz, da legte sich eine schützende Hülle aus hellem Licht um sie. Gleichzeitig löste sich der eiserne Griff der Stäbe. Laura meinte ein wütendes Zischen zu hören, als sie ihre Gefangenen freigaben. Hastig ergriff Laura das Fläschchen und besprengte auch die Sensenmänner mit dem wundersamen Elixier. Diese heulten auf, als wären sie tödlich verwundet, und ergriffen augenblicklich die Flucht. Mit ungelenken Sprüngen hetzten sie den Hügel hinauf und verschwanden im Mausoleum.
»Das war ja oberklasse, Laura, dass du auf die Idee gekommen bist. Mann, war das knapp!« Lukas’ Stimme krächzte. Er hatte sich von dem Schrecken noch nicht erholt.
Laura war zu erschöpft, um zu antworten. Die Angst war plötzlich von ihr abgefallen und hatte einer bleiernen Müdigkeit Platz gemacht. Doch als Latus und Lateris Anstalten
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