Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Kaja.
»Saskia?«, erkundigte sich Lukas. »Wer ist das denn?«
»Saskia Burwieck, die neue Schülerin«, erklärte Laura ihrem Bruder, bevor sie sich wieder Kaja zuwandte. »Meinst du, die hat Lust dazu?«
»Keine Ahnung.« Ihre Freundin hob die Schultern. »Aber sie scheint ziemlich clever zu sein. Außerdem ist sie sehr nett.« Kaja machte eine vorwurfsvolle Miene. »Jedenfalls netter als du in letzter Zeit. Im Gegensatz zu Saskia hast du ja kaum noch Zeit für mich.«
Laura sah Kaja zerknirscht an. »Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.« Sie dachte nach. »Dann habt ihr euch also angefreundet?«
Kaja nickte.
Eigentlich war es Laura gar nicht recht, eine Fremde ins Vertrauen zu ziehen. Andererseits würde die neue Mitschülerin nicht das Geringste über die geheimen Vorgänge erfahren, die sich hinter den Kulissen von Burg Ravenstein abspielten. Und Saskia schien in Ordnung zu sein – immerhin mochte Kaja sie. »Okay«, stimmte Laura schließlich zu. »Frag sie einfach.«
Kaja strahlte. »Saskia sagt bestimmt ja! – Aber warum seid ihr beide eigentlich so beschäftigt?«
Laura überlegte kurz, wie viel sie verraten sollte. »Es gibt eine ganze Menge zu tun. Lukas muss ein dickes Tagebuch lesen und außerdem ein paar ziemlich kniffelige Rätsel lösen. Da kann er zeigen, ob er tatsächlich so ein Superhirn ist, wie er immer behauptet.«
Lukas verzog genervt das Gesicht.
»Und ich« – Laura lächelte geheimnisvoll – , »ich mache mal wieder einen Ausflug in meine Vergangenheit.« Als sie den verwunderten Blick von Mr. Cool bemerkte, fugte sie rasch hinzu: »Das ist natürlich nicht wörtlich gemeint.«
Der gleißende Lichtwirbel, der Laura in eine andere Zeit geleitet hatte, verblasste. Für einen Moment herrschte völlige Stille, und alles war schwarz. Dann spürte sie einen kalten Hauch, und die Dunkelheit vor ihren Augen lichtete sich. Das Mädchen erkannte die Umrisse eines Hauses. Es war das alte Bauernhaus am Ortsrand von Drachenthal.
Laura lächelte zufrieden. Ihre Traumreise hatte sie ans gewünschte Ziel geführt, so viel stand fest. Blieb nur noch zu hoffen, dass es auch der richtige Tag war: der einunddreißigste Oktober.
Der Tag, an dem ihre Mutter Anna geboren wurde.
Es war kalt, und Laura kuschelte sich tiefer in ihren dicken Steppanorak, den sie vor Antritt der fantastischen Reise übergezogen hatte. Durch einen schnellen Blick in die Archive des Wetterdienstes hatte Lukas herausgefunden, dass es in der Nacht von Annas Geburt Frost gegeben hatte, und er hatte seiner Schwester geraten, sich entsprechend zu kleiden. Ein Hinweis, für den Laura dem Bruder nun ausgesprochen dankbar war. Es war in der Tat lausig kalt. Laura fröstelte, als sie sich umsah. Sie stand direkt vor dem Gartenzaun des Bauernhauses. Im Haus war alles still. Nur in zwei Zimmern brannte noch Licht: in Michaels Arbeitszimmer im Erdgeschoss und im Schlafzimmer im ersten Stock.
Über dem Haus stand der Mond. Sein blasses Licht war kaum in der Lage, die Nacht zu erhellen. Gut so, dachte Laura. Dann werde ich nicht so leicht entdeckt! Zwischen den Obstbäumen und Beerensträuchern im Garten hingen schlierige Nebelschleier. Das Mädchen lächelte. Auch der Nebel passt bestens in meinen Plan!
Langsam schlich Laura auf die Gartenpforte zu. Schon von Weitem stieg ihr der intensive Duft der Lichtrose in die Nase. Als sie den Eingang erreichte, erkannte sie trotz der Dunkelheit, dass die sich über den Pfad wölbende Pergola über und über mit Blüten bedeckt war. Eva Luzius hatte also die Wahrheit gesprochen: Der späten Jahreszeit zum Trotz stand die wundersame Pflanze vor Lenas Tod tatsächlich in voller Blüte!
Laura öffnete gerade die Gartenpforte, als die dumpfen Schläge der Kirchturmuhr aus Drachenthal sie zusammenfahren ließen: Es war zwölf.
Mitternacht!
Sie musste sich beeilen, wenn sie herausfinden wollte, was sich in jener schicksalhaften Stunde im Schlafzimmer von Lena Luzius abgespielt hatte!
Rasch schritt Laura unter den Lichtrosen hindurch und begab sich dann auf die Rückseite des Hauses. Dort führte eine Treppe hinauf zum Balkon am Obergeschoss, wie Laura von früheren Besuchen wusste.
Am Fuß der Treppe hielt sie an. Der Mut drohte sie zu verlassen, doch dann dachte sie plötzlich an ihr großes Ziel: Wenn sie ihre Mutter retten wollte, dann musste sie das Geheimnis dieser Nacht ergründen – koste es, was es wolle! Dann kam ihr die Mahnung ihres Vaters in den Sinn: »Nur
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