Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Luzius damals einen Einbrecher überrascht. Als seine Tochter Anna ihn am nächsten Morgen fand, war sein Arbeitszimmer durchwühlt gewesen. Doch der unbekannte Dieb hatte nur spärliche Beute gemacht: Außer dem Schmuck von Lena Luzius, den Michael zum Andenken aufbewahrt hatte, und ihrem Porträtfoto fehlte nichts.
»Warum stiehlt denn jemand ein Foto?«, wunderte sich Lukas.
Eva schüttelte ratlos den Kopf. »Selbst die Polizei konnte sich das nicht erklären.«
»Wie ist der Einbrecher denn ins Haus gekommen?«, fragte Laura.
»Das ist genauso rätselhaft wie alles andere.« Eva seufzte, als sie an den Todestag ihres Bruders dachte. »Die Polizei konnte keinerlei Einbruchsspuren entdecken. Sämtliche Türen waren abgeschlossen, und die Schlüssel steckten von innen. Auch die Fenster waren zu. Nur das in Michaels Arbeitszimmer war gekippt. Aber durch den schmalen Spalt hätte nicht mal ein Kind einsteigen können.«
»Und wie ist Opa gestorben?«, wollte Lukas wissen.
»Das weiß man nicht«, sagte Eva traurig. »Michael wies keinerlei äußere oder innere Verletzungen auf. Es gab auch keinerlei Hinweise auf Gewalteinwirkung.« Sie seufzte erneut. »Bei der Obduktion wurde festgestellt, dass er erstickt ist. Dabei hatte er keine Würgemale, nicht einmal eine Andeutung davon.«
»Hat man denn am Tatort überhaupt keine Spuren entdeckt?«, fragte Lukas ungläubig.
»Doch«, entgegnete Eva Luzius. »Aber das hat die Polizei vor ein noch größeres Rätsel gestellt. Auf dem Fenstersims wurden nämlich Haare gefunden. Schwarze Katzenhaare, um genauer zu sein. Dabei haben wir weder damals noch in den Jahren davor jemals eine Katze besessen. Michael war allergisch gegen diese Tiere.«
Laura spürte, wie sich die Haare in ihrem Nacken aufrichteten. Unwillkürlich spähte sie zum Fenster hinüber. Zum Glück war da nichts zu sehen. Weder eine schwarze Katze noch eine andere Spukgestalt. »Vorhin habe ich allerdings eine gesehen«, sagte sie dann zögernd. »Oben auf dem Speicher. Sie saß auf dem Dach und hat mich durchs Fenster angestarrt.«
»Das muss eine fremde gewesen sein. Oder eine Wildkatze«, erklärte die alte Frau entschieden. »Wir haben noch nie eine gehalten.«
Als die Geschwister sich kurze Zeit später von Eva Luzius verabschiedeten, fühlte Laura sich noch immer beklommen. Sie hatte gerade ihr Rad losgeschlossen, da stieg ihr ein bekannter Duft in die Nase – der gleiche, den der Schrank auf dem Speicher und auch das geheimnisvolle Buch verströmt hatten. Da er sich nun in ihrem Rucksack befand, vermutete sie die Duftquelle dort. Nur einen Moment später erkannte sie ihren Irrtum, denn ihr Blick fiel auf das Gewächs, dessen Triebe sich wie grüne Schlangen um eine Pergola rankten. Seine großen fleischigen Blätter waren fast unnatürlich grün. Die üppigen Blüten waren von einem auffallend kräftigen Rot, besaßen lange gelbe Staubfäden und verströmten einen überaus angenehmen Duft. Was Laura für eine Kletterrose gehalten hatte, war in Wirklichkeit…
»Eine Alamania punicea miraculosa!«, rief das Mädchen verblüfft aus. »Deshalb kam mir dieser Geruch so bekannt vor.«
Auch Lukas hatte das seltsame Gewächs bemerkt. »Das ist einfach unglaublich! Ich dachte, die Alamania punicea miraculosa gäbe es nur auf der kleinen Insel im Drudensee.«
»Auf Aventerra habe ich sie auch schon mal gesehen!«, erinnerte Laura den Bruder und musste daran denken, dass sie vor vielen Monaten den Kelch der Erleuchtung nur deshalb hatte entdecken können, weil eine Blüte dieser seltenen Orchideenart ihr den entscheidenden Hinweis geliefert hatte.
Eva Luzius, die noch an der Gartenpforte stand, erklärte, dass Lena das Gewächs gepflanzt hatte, gleich nachdem sie zu Michael gezogen war. »Sie liebte diese Pflanze über alles. Sie hat sie nämlich aus ihrer Heimat mitgebracht. Allerdings hatte sie dafür eine andere Bezeichnung als ihr.« Sie lächelte, als sie daran dachte. »Lena hat sie ›Lichtrose‹ genannt und sie gehegt und gepflegt.« Die alte Frau ließ den Blick über die üppig wuchernden Ranken schweifen. »Angeblich soll die gesamte Pflanze, ihr Duft und insbesondere eine Essenz aus den Blütenblättern, vor dem Bösen schützen. Zumindest hat Lena das immer behauptet. Aber« – Tränen traten in Evas Augen – »geholfen hat es ihr offensichtlich nicht. Nur in einem hatte sie Recht: Die Pflanze besitzt eine merkwürdige Eigenart.«
»Wieso?«, fragte Laura verwirrt.
»Immer dann,
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