Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
kann man einen Menschen nur dann richtig beurteilen, wenn man seine Absichten kennt. Und diese sind meist nur sehr schwer zu durchschauen.«
Laura schwieg. Möglicherweise hatte der Professor Recht. Tatsächlich hatten Lukas und sie Maximilian Longolius von Anfang an abgelehnt. Kein Wunder, dass sie ihm schlechte Absichten unterstellt hatten, wahrscheinlich vollkommen ohne Grund! Denn eines war offensichtlich: Wenn Herr Longolius tatsächlich zu den Feinden der Wächter zählen würde, dann hätte er doch nicht das geringste Interesse am Fortbestand von Ravenstein! Warum hätte er Herrn Sephem dann auf das Internat aufmerksam machen und sich selbst finanziell an dessen Projekt beteiligen sollen?
Das ergäbe doch keinen Sinn!
»Wir sind vom Thema abgekommen, Laura«, sagte der Professor und unterbrach damit ihre Gedanken. »Herr Sephem sucht jemanden, der ihm in den nächsten Wochen ein wenig zur Hand geht. Er will das Burggebäude vom Keller bis zum Speicher unter die Lupe nehmen. Er möchte es neu vermessen und jede Ecke und jeden Winkel fotografieren. Er könnte jemanden gebrauchen, der seine Notizen und Unterlagen ordnet und auf dem aktuellen Stand hält. Ich wollte dich bitten, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie erfordert nicht viel Einsatz, höchstens ein bis zwei Stunden am Tag, und wird außerdem großzügig entlohnt, wie unser Gönner angedeutet hat.«
»Es tut mir leid, Herr Professor«, erwiderte Laura und schüttelte den Kopf. »Aber ich habe so viel Unterrichtsstoff nachzuholen, dass ich mir das leider gar nicht leisten kann.«
Außerdem hatte sie Wichtigeres zu tun!
»Tja…« Der Professor überlegte einen Moment. »Vielleicht sollte ich Kaja fragen?«
Nein! Bloß das nicht!
Die Freundin war mit den Recherchen über das Haus auf der Teufelskuppe mehr als genug eingespannt. Und auch Lukas und Philipp waren beschäftigt.
»Warum fragen Sie nicht einfach…« – Laura überlegte fieberhaft – »… Magda Schneider… oder Saskia Burwieck, die Neue? Kaja meint, sie wäre klug und außerdem vertrauenswürdig.«
»Saskia Burwieck?«, antwortete Morgenstern gedehnt und fuhr sich mit der Hand über die graue Schläfe. »Das ist gar keine schlechte Idee. Es würde ihr zeigen, dass wir ihr Vertrauen entgegenbringen, und ihr helfen, sich bei uns einzuleben.«
»Saskia wird sich bestimmt freuen, wenn Sie ihr diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen.« Sie zögerte einen Moment, denn sie war sich nicht sicher, ob sie Aurelius Morgenstern die Frage stellen sollte, die ihr schon die ganze Zeit auf den Lippen brannte. Der Direktor hatte mit den Vorbereitungen für das Jubiläumsfest doch bestimmt mehr als genug zu tun. Er hatte sicherlich keine Muße, sich auch noch mit ihren Problemen zu beschäftigen. Andererseits hütete Morgenstern das gesamte Wissen der Wächter und konnte ihr deshalb vielleicht weiterhelfen. Und so gab Laura sich einen Ruck. »Wissen Sie vielleicht«, fragte sie, »was es mit dem Ring der Feuerschlange auf sich hat?«
Aurelius Morgenstern wurde blass. »Warum fragst du?«
»Weil zwischen diesem Ring und dem Schicksal meiner Mutter möglicherweise ein Zusammenhang besteht.«
Der Professor seufzte tief. »Ich kann nur hoffen, dass du dich täuschst.«
»Was ist denn so schrecklich an diesem Ring?«, fragte Laura beklommen.
»Um ehrlich zu sein – mein Wissen über diesen Ring ist sehr begrenzt«, erklärte der Direktor bekümmert. »Ich bin nicht einmal sicher, dass er überhaupt existiert, denn ich habe es bislang vermieden, mich näher mit ihm zu beschäftigen.«
»Vermieden? Warum das denn?«
»Weil dieses mysteriöse Schmuckstück die Kräfte des Bösen bündelt – das sagt jedenfalls die Legende.« Der Professor sah sie eindringlich an. »Und du weißt doch: Wer sich allzu lange mit den Dunklen Mächten beschäftigt, gerät immer mehr unter ihren Einfluss, bis er ihnen eines Tages ganz unterliegt.«
Laura verstand die Warnung, die in den Worten des Professors lag. Doch sie musste wissen, was es mit dem geheimnisvollen Ring auf sich hatte. »Was erzählt diese Legende denn?«
Aurelius Morgenstern zögerte, als wisse er nicht genau, wie viel er preisgeben dürfe. »Diese Ringe – angeblich gibt es drei davon – besitzen unheimliche Kräfte. Sie sind nicht von unserer Welt, und ihre Macht ist mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen. Selbst wir Wächter sind dazu nicht in der Lage.«
»Wenn sie nicht von der Erde sind, kommen diese Ringe denn dann aus
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