Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
abermals. »Wie erwähnt, muss es unser vordringliches Ziel sein, unsere Feinde in Sicherheit zu wiegen. Sobald wir das erreicht haben, attackieren wir sie an genau der Stelle, die sie für unverwundbar halten, an der wir sie aber gleichzeitig am empfindlichsten treffen können.«
»Und?« Die Miene des Schwarzen Fürsten bewölkte sich, sodass er noch finsterer wirkte als sonst. »Was sollte das sein?«
Erneut verneigte sich das Männchen. »Das Zentrum ihrer Kraft, Herr«, erklärte er. »Ihr größtes Heiligtum. Das Labyrinth des Lichts!«
»Was? Du musst den Verstand verloren haben, mir so etwas vorzuschlagen. Du weißt doch, dass es in der ganzen Gralsburg keinen besser bewachten Ort gibt.«
»Gewiss. Und dennoch ist es uns einmal gelungen, den Kelch der Erleuchtung daraus zu entwenden!«
»Nur weil wir auf einen Verräter in ihren Reihen bauen konnten!«, hielt Borboron dagegen. »Seitdem steht das Labyrinth unter besonderer Bewachung, und obwohl dieser Hund Luminian so blind ist wie ein Maulwurf, entgeht seinen leblosen Augen nichts. Nicht einmal eine Hundertschaft meiner Schwarzen Krieger könnte sich einen Zugang zum Labyrinth erkämpfen.«
Die Mundwinkel des Fhurhurs zuckten verschlagen. »Wer spricht denn von Kriegern, Herr?«
»Wie sollen wir sonst dorthin gelangen?«
»Wie bereits erwähnt: Indem wir uns einer List bedienen und auf unseren neuen Verbündeten setzen – auf Lukas Leander, das Kind des Dunklen Blutes!«
Borboron runzelte die Stirn. »Dazu musst du ihn erst noch auf unsere Seite ziehen!«
»Keine Sorge, Herr.« Das Männchen im scharlachroten Umhang lächelte erneut. »Er wird sich uns anschließen. Wir lassen ihm gar keine andere Wahl!«
I n der vorletzten Stunde stand Mathematik auf dem Stundenplan der 8b.
Ausgerechnet!
Noch bevor Rebekka Taxus auftauchte, ahnte Laura bereits, dass die Stunde in eine Katastrophe münden würde. Sie fühlte sich schlapp, und ihr Kopf schmerzte entsetzlich. Dabei war der Unterricht bislang ziemlich ruhig und ohne besondere Zwischenfälle verlaufen. Kein Wunder: Deutsch, Englisch, Gemeinschaftskunde und Biologie zählten zu Lauras bevorzugten Fächern. Mit den entsprechenden Lehrern verstand sie sich gut.
Auch mit den Klassenkameraden gab es keinerlei Probleme. Selbst der Oberfiesling Ronnie Riedel und sein ihm treu ergebener Vasall, der übergewichtige Max Stinkefurz, hatten sich ausnahmsweise von ihrer besten Seite gezeigt. Dabei ließen die sonst keine Gelegenheit aus, um sie zu piesacken. Trotzdem fühlte sich Laura total geschafft und wäre am liebsten auf ihr Zimmer marschiert, um sich schlafen zu legen. In dieser Verfassung konnte eine Mathestunde bei Pinky Taxus nur in einer Katastrophe enden.
Das Verhängnis nahte schneller als befürchtet. Kaum war die Lehrerin auf laut klackenden Stilettos in den Klassenraum getrippelt – die Farbe der Schuhe passte perfekt zum Pink ihres engen Kostüms –, da lispelte sie bereits: »Alsso schön, dann wollen wir doch mal schauen, ob ihr eure Haussaufgaben ordnungssgemäßs erledigt habt.« Sie ließ den Blick in die Runde schweifen. »Mal ssehen – wen nehmen wir unss denn heute vor?«
Du blöde Kuh!, zischte Laura im Stillen, während die Taxus immer noch so tat, als würde sie ernsthaft überlegen. Deine Wahl fällt doch sowieso wieder auf mich!
Als hätte die Lehrerin Gedanken gelesen, blieb ihr Blick exakt in diesem Moment auf Laura hängen. »Ah ja«, sagte sie. »Wie wäre ess denn heute mal mit dir, Laura!«
Das Mädchen verdrehte die Augen. Diese fiese Heuchlerin!, dachte Laura. Was heißt hier ›heute mal‹? Ich bin doch erst in der letzten Stunde dran gewesen. Und in der vorletzten und in der Stunde davor auch. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie in diesem Schuljahr noch jedes Mal ihre Aufgaben vorzeigen müssen.
So eine Gemeinheit!
Mit resigniertem Seufzer griff Laura nach ihrem Rucksack und legte ihn vor sich auf den Tisch. Während sie die Klappe öffnete, stieg ihr der muffige Geruch eines schweren Parfüms in die Nase. Pinky war inzwischen herangekommen und stand nun dicht neben Lauras Platz, sodass der modrige Gruftie-Duft, der sie ständig umwehte, ihre Nasenschleimhäute reizte.
Einfach ekelhaft!
»Hasst du nicht gehört?«, blaffte die Taxus ihre Schülerin an. »Ich möchte deine Haussaufgaben ssehen – und zswar plötzslich!«
»Ja, ja«, murmelte Laura und kramte hektisch in ihrem Rucksack herum. Überraschenderweise konnte sie das Heft nirgendwo
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