LAURA und der Kuss des schwarzen Dämons - Freund, P: LAURA und der Kuss des schwarzen Dämons
warum du dir deswegen Sorgen machst. Das ist doch beileibe nicht das erste Mal, dass Schüler nicht zum Unterricht erscheinen.«
»Natürlich nicht.« Ein gequältes Lächeln spielte um die Lippen der jungen Direktorin. »Aber hier liegt der Fall etwas anders. Erstens hängen alle fünf verschwundenen Schüler ständig zusammen und werden von den anderen deshalb meistens nur ›die Gofen‹ genannt. Weil Tim in seiner großspurigen Art seine Clique einmal als ›G.O.F. – Gang of Five‹ bezeichnet hat.«
»Diese Bezeichnung kann doch nur auf dem Mist von Lukas gewachsen sein«, kommentierte Percy mit breitem Grinsen. »Der ist um neue Wortschöpfungen doch niemals verlegen.«
»Könnte durchaus sein.« Marys Gesicht blieb ernst. »Jedenfalls gibt mir ihr gemeinsames Verschwinden sehr zu denken. Aber noch weit besorgniserregender finde ich die widersprüchlichen Angaben, die sie
über ihre Wochenendpläne gemacht haben.« Sie nickte dem Hausmeister auffordernd zu. »Attila, würdest du den Kollegen bitte mal berichten.«
»Aber natürlich, liebste Mary, sehr gerne.« Der Zwergriese strich sich mit der klodeckelgroßen Hand über den kahlen Schädel und legte die hohe Stirn in so tiefe Falten, als würde ihm das Nachdenken allergrößte Anstrengung bereiten. Dabei war Attila Morduk ein ziemlich heller Kopf, der trotz seiner behäbig wirkenden Erscheinung fix im Denken und Handeln war. »Als ich am Freitagabend Tim Neumann und die Sommerfeld-Geschwister im Gegensatz zu den meisten anderen Schülern noch immer im Internat angetroffen habe, war ich darüber schon sehr erstaunt. Für gewöhnlich nutzen sie nämlich jede nur denkbare Gelegenheit, um sich von hier zu verdrücken. «
» Ah, bon. « Nachdenklich strich sich Percy Valiant durchs halblange Blondhaar. »Und welche Schlüsse ’ast du daraus gezogen?«
»Zunächst mal keine«, brummte Attila. »Aber weil das so ungewöhnlich war, habe ich Tim darauf angesprochen. Und der hat mir daraufhin erklärt, dass seine Freunde und er das Wochenende zum gemeinsamen Lernen für die noch ausstehenden Klassenarbeiten nutzen wollten. Das Schuljahr geht jetzt in die entscheidende Phase, hat er gesagt, und darauf wollten sie sich vorbereiten.«
»Tatsächlich?« Marius hob überrascht die Brauen. »Das sieht Tim und Andi aber überhaupt nicht ähnlich. Und Sarah schon gar nicht. In der Regel machen die doch nur das Allernotwendigste und hangeln sich jedes Jahr mit Ach und Krach gerade mal so durch. Was bei Tim im letzten Jahr dann auch gründlich in die Hose gegangen ist.«
Während die Direktorin und der Sportlehrer ihm nickend beipflichteten, verzog Attila nur das Gesicht. »Das wisst ihr besser als ich. Deshalb habe ich mir auch weiter keine Gedanken über Tims
Angaben gemacht. Aber am Samstag bin ich dann doch etwas nachdenklich geworden.«
»Und wieso?«
»Kurz bevor wir nach Drachenthal gefahren sind, habe ich eher zufällig beobachtet, wie die fünf in Tims Auto gestiegen sind. Vorm Wegfahren hat Tim mir noch erklärt – ganz von selbst übrigens und ohne dass ich fragen musste –, dass sie sich nun doch anders entschieden hätten und den Rest des Wochenendes lieber zu Hause verbringen wollten.«
»Aber dort sind sie nie angekommen, wie wir von ihren Eltern wissen. « Die Direktorin deutete kopfnickend auf die schwere Holztür, die zum Internatssekretariat führte. »Nachdem die fünf weder zum Unterricht erschienen sind noch auf ihren Zimmern anzutreffen waren, habe ich nämlich Frau Pieselstei – « Schlagartig brach Miss Morgain ab und hüstelte verlegen, bevor sie mit leicht geröteten Wangen fortfuhr: »Sorry, das ist mir einfach so rausgerutscht. Frau Prise-Stein, wollte ich natürlich sagen.«
»Naturellement.« Percy grinste breit und zwinkerte Marius und Attila verschwörerisch zu. »Du würdest doch unter gar keinen Umständen diesen schändlichen Spitznamen benutzen, den sich unsere Schüler für unseren Sekretariatszerberus ausgedacht ’aben. ’abe ich nicht recht, verehrte Mary?«
»Niemals!«, beteuerte die Direktorin mit treuherzigem Augenaufschlag. »Jedenfalls habe ich Frau Prise-Stein gebeten, die Eltern der Verschwundenen anzurufen. Die sind aus allen Wolken gefallen. Ihre Sprösslinge haben ihnen nämlich ausnahmslos erzählt, dass sie das Wochenende in Ravenstein verbringen würden. Und natürlich haben sie auch nicht den geringsten Anhaltspunkt, wo die Gofen abgeblieben sein könnten.«
»Das klingt in der Tat merkwürdig.«
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