Laura - Venezianisches Maskenspiel
Gesichtsausdruck. Immerhin war Sofia Gast in diesem Haus – wenn auch ein sehr unbeliebter. Die Dienerschaft wich ihr aus, so gut es ging, um sich nicht ständig von ihren Launen tyrannisieren zu lassen. Laura zog sich ebenfalls zurück und Domenico schloss sich, wenn Sofia und er gleichzeitig im Haus waren, in seinem Arbeitszimmer ein und verbat sich jedwede Störung. Nur seine Mutter, die freundliche und gütige Clarissa Ferrante, wurde regelmäßig das Opfer dieser verzogenen jungen Frau. Laura hatte jedoch keinen Zweifel daran, dass Sofia an diesem Nachmittag der Grund für das Unbehagen ihrer Schwiegermutter gewesen war. Vermutlich war es wieder wegen der Köchin gewesen, die schon einmal gedroht hatte, auf und davon zu gehen, wenn Sofia auch nur ein einziges Mal mehr an ihrem Essen herummäkelte.
Allerdings, fand Laura, war dieses verwöhnte Benehmen nicht alles, was sie an Sofia störte. Es war auch nicht allein ihre so offensichtlich zur Schau getragenen Neigung zu Domenico, sondern etwas anderes. Eine gewisse Falschheit in ihrem Lächeln, die Laura abstieß. Das Gefühl, eine Feindin im Haus zu haben und eine Frau, die Domenico viel besser kannte als seiner Gattin lieb sein konnte. Aber würde er das denn tatsächlich tun? Seine Geliebte ins Haus holen? Sein Ärger über ihr Auftauchen schien so echt gewesen zu sein. Allerdings auch seine Verlegenheit, und nicht zum ersten Mal fragte sich Laura, was alles zwischen den beiden vorgefallen war. Schließlich hatten sie sich beide zur selben Zeit in Paris aufgehalten, und dass Sofia größtes Interesse an Domenico hatte und allzu vertraut mit ihm tat, wäre auch der arglosesten Ehefrau aufgefallen.
Sofia trippelte näher. „Ich wollte nicht stören. Aber ich dachte, du wärst alleine und so wollte ich die Gelegenheit zu einem kleinen Schwätzchen unter Freundinnen nützen.“
„Freundinnen?“, dachte Laura spöttisch, lächelte aber nur nichtssagend.
„Gewiss, wenn es dir Freude macht.“
„Ich störe dich auch gar nicht, deine Zofe kann ruhig weitermachen.“
Anna setzte mit einem schiefen Blick auf den Gast ihre Bemühungen um Lauras Frisur fort, und die junge Frau nahm auf einem der zierlichen, mit Paradiesvögeln und blühenden Pflanzen bestickten Sessel Platz und sah zu. Laura hätte sie am liebsten weggestoßen, denn der Stuhl war ein Geschenk von Domenico, das er ihr vor einigen Tagen überraschend gemacht, nachdem sie einen ähnlichen bei ihrer Schwägerin so sehr bewundert hatte. Eine sehr kunstvolle Arbeit mit geschnitzten Beinen aus dunklem, kostbarem Holz.
„Schade, dass dein Haar so gar nicht die elegante Farbe hat, die man hier so gerne sieht“, sagte Sofia, nachdem sie Laura eingehend gemustert hatte. „Es wäre besser, du würdest immer eine Perücke tragen oder es pudern. Und achte um Himmels willen trotzdem darauf, dass dein Gesicht nicht mit zuviel Sonne in Berührung kommt. Du solltest deine lebhaften Farben überhaupt mit Puder überdecken und statt dessen Rouge auflegen, das wirkt viel eleganter.“
Anna schnaufte nur verächtlich und stellte sich so zwischen Sofia und Laura, dass sie ihre Herrin vor der anderen verbarg. Dabei trafen sich ihre Blicke und Anna verzog abfällig den Mund. Sie drängte ihre Herrin zwar auch immer dazu, sich zu schminken, aber Sofia mit ihren bleich gepuderten Wangen, den kohlschwarz nachgezogenen Brauen und den roten Kreisen auf den Wangen war nicht jene Art von Schönheit, in der sie ihre Herrin erstrahlen sehen wollte.
Sofia rückte ein wenig zur Seite. „Ich will mich ja nicht einmischen, Laura, aber du solltest deine Bediensteten besser erziehen. Meine Zofe würde es niemals wagen, sich mir ins Blickfeld zu stellen.“
„Anna ist mehr als eine Zofe“, erwiderte Laura ruhig. „Und in jedem Fall mehr als eine einfache Bedienstete. Wir kennen uns viele Jahre. Sie hat schon für meine Mutter gearbeitet, als ich noch ein halbes Kind war.“
„Ach ja ... deshalb“, kam es indigniert zurück. „Nun, das kann ja jeder halten, wie er will. Ich jedenfalls achte sehr auf Disziplin und hätte ich einen Haushalt wie du, würde ich nur die besten Leute beschäftigen.“
„Bist du gekommen, um mit mir über Haushaltsführung zu sprechen?“, fragte Laura kühl. Sofias Bemerkung hatte sie wieder tiefer getroffen, als sie selbst wahrhaben wollte. Sie hatte nicht einmal einen eigenen Haushalt. Ohne die Zuneigung ihres Gatten fühlte sie sich nicht als Herrin, sondern als Gast in seinem Haus und
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