Laura - Venezianisches Maskenspiel
brauchte einige Sekunden, um sich zu fassen, dann lachte sie spöttisch. „Ach! Ich verstehe! Ihr beide habt also das übliche Abkommen getroffen, habt beide eure Verhältnisse und mischt euch nicht in das Liebesleben des anderen ein.“
„Meine Gattin ist nicht wie du“, erwiderte er mit leichter Ironie in der Stimme.
„Sie tut nichts, was mir missfallen könnte und gibt mir keinen Grund zur Eifersucht.“ Nun, das stimmte nicht ganz. Laura hatte sich sehr wohl mit einem ihr Fremden getroffen, und er selbst war eifersüchtig. Aber das würde die schöne Nicoletta niemals erfahren. Ein „gehörnter“ und eifersüchtiger Ehemann war schon lächerlich, aber einer, der sich selbst hörnte und dann auch noch auf sich selbst eifersüchtig war, war wohl die personifizierte Lächerlichkeit. Und der dann nicht mit dem Spiel aufhören konnte, weil er sich einerseits in seine eigene Frau verliebt und andererseits Angst hatte, ihr die Wahrheit zu sagen.
Aber das würde sich alles mit der heutigen Nacht ändern.
„Du hast mir immer noch nicht verziehen“, sagte Nicoletta mit einem unglücklichen Lächeln, ihre Strategie verändernd. „Du kannst meine Dummheit nicht vergeben. Dabei war es doch wirklich nur ein Augenblick der Schwäche Domenico ergriff ihre Hand und zog sie an seine Lippen. „Brauchst du Geld, meine Schönste?“ ‚Meine Schönste’. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass er alle seine Mätressen mit diesem gedankenlosen Namen bedacht hatte. Auch Laura. Aber nur anfangs. Bis die Liebe zu ihr ihn gepackt hatte und sie von einer ungeliebten Ehefrau zu einer wahrhaftigen ‚Geliebten’ geworden war. Ein bedeutsamer Unterschied, der ihm zur Zeit großes Wohlbehagen einflößte.
Nicoletta zuckte zurück, starrte ihn zornig an, dann wurde ihr Blick dunkler.
„Ja, es stimmt, ich brauche Geld. Aber das war nicht der Grund, weshalb ich diesen Brief geschrieben habe. Sondern weil ich hoffte, er würde dich nach Venedig zurückbringen. Ich liebe dich immer noch, Domenico, und ich konnte dich nicht vergessen.“
„Lass uns wie vernünftige Menschen miteinander reden, Nicoletta, wie alte
Freunde. Wie viel Geld brauchst du?“ Nicoletta zögerte, „Achttausend Dukaten.“
Jetzt war Domenico nicht mehr überrascht, dass sie so heftig versucht hatte, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, dieser Betrag entsprach immerhin fast dem Jahreseinkommen des venezianischen Gesandten in Paris. Er war zwar sicher, dass sie die Summe vorsichtshalber erhöht hatte, aber er hatte keine Lust mit ihr zu handeln und er konnte es sich leisten, sie mit diesem Betrag endgültig abzufinden. Er drückte noch einen Kuss auf ihre Hand, dann wandte er sich zur Tür. „Ich werde Anweisung geben, dass du das Geld bekommst.“ In der Tür drehte er sich nochmals nach ihr um. „Aber bitte, Nicoletta, schreibe keine Briefe mehr und hör damit auf, mir oder meiner Frau nachzuspionieren.“ Die Tür fiel leise hinter ihm zu, und Nicoletta zerschlug voller Zorn den kostbaren geschnitzten und mit hauchzarter Seide überzogenen Fächer am Tisch.
* * *
Laura war bemüht gewesen, sich nichts anmerken zu lassen, hatte – vielleicht ein wenig zu laut – über Marinas Bemerkungen gelacht, die mit einem Mal noch gesprächiger wurde, hatte getan, als wäre sie die glücklichste Frau der Welt, als ihre Schwägerin sie auf die Wange küsste, und hielt noch durch, als Anna ihr aus den Kleidern half. Aber kaum war Anna verschwunden, löschte sie alle Kerzen und sank auf dem Bett in sich zusammen.
Es war ganz still im Haus. Sie saß im dunklen Zimmer, hatte nur die Decke um sich gezogen, zu gleichgültig, um darunter zu schlüpfen und sich ins Bett zu legen. Sie hätte ohnehin nicht schlafen können. Der Moment, wie Domenico mit diesem entschlossenen Schritt auf das Heim seiner Mätresse zugegangen war und angeklopft hatte, die selbstverständliche Art, wie der Diener ihn hereingelassen hatte, dieser Anblick wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Wenn sie die Augen schloss, sah sie ihn deutlich vor sich. Im Dunkeln wiederholte sich diese Szene immer und immer wieder. Und noch weitere, weitaus schmerzhaftere, gesellten sich dazu. Domenico, der diese Frau küsste, sie umarmte und liebte, so wie er sie geliebt hatte. Oder war er mit Nicoletta anders? Noch leidenschaftlicher? Zärtlicher? Der Gedanke, dass die beiden das Treffen vereinbart hatten, als sie beim Ball nebeneinander standen, setzte sich in ihr fest, und sie krümmte sich wie bei einem
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