Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
ritten hinaus, passierten den Rhein, ritten durch das Elsaß, richteten ihren Marsch auf Lyon, und ehe die Straßburger, und die Äbtissin von Quedlinburg ihren Auszug angetreten, hatten Fernandez, Diego und seine Julia bereits die Pyrenäen überschritten und waren glücklich in Valladolid angelangt.
Wir brauchen den geographiekundigen Leser nicht erst zu belehren, dass, während sich Diego bereits in Spanien befand, es nicht möglich war, dem artigen Fremdling auf der Straße nach Frankfurt zu begegnen. Es mag genügen, wenn ich sage, dass, da von allen unruhigen Begierden die Neugierde die gewaltigste ist, – die Straßburger die ganze Macht derselben empfanden; und dass sie von der stürmischen Wut dieser Leidenschaft drei Tage und Nächte auf der Frankfurter Straße hin- und hergeworfen wurden, ehe sie sich entschließen konnten wieder umzukehren; – wo sie ach! ein Ereignis erwartete, welches das traurigste ist, das ein freies Volk treffen kann.
Da diese Umwälzung der Dinge in Straßburg vielfach besprochen aber wenig verstanden worden ist, so will ich, sagt Slawkenbergius, der Welt eine Erklärung derselben geben, und damit meine Geschichte schließen.
Jedermann kennt das große System einer Universalmonarchie, welches auf Befehl des Herrn Colbert verfasst und im Jahr 1664 im Manuskript Ludwig dem Vierzehnten vorgelegt wurde.
Eine der vielen Konsequenzen dieses Systems war bekanntlich die Besitznahme von Straßburg, um jeder Zeit das Einrücken in Schwaben zu erleichtern und die Ruhe in Deutschland zu stören; – und in Folge dieses Plans fiel Straßburg unglückseligerweise endlich in die Hände der Franzosen.
Es ist nur Wenigen gegeben, die wahren Beweggründe dieser und ähnlicher Umwälzungen aufzuspüren; – die Masse sieht darüber hinaus – die Staatsmänner schauen darunter hinweg, – die Wahrheit liegt gewöhnlich in der Mitte.
Wie verhängnisvoll kann der Volksstolz für eine freie Stadt werden! sagt ein Geschichtsschreiber. – Die Straßburger hielten es für eine Schwächung ihrer Freiheit, wenn sie eine kaiserliche Garnison aufnähmen; – so bekamen sie eine französische.
Das Schicksal der Straßburger, sagt ein Anderer, mag eine Warnung für jedes freie Volk sein, mit seinen Gelde sparsam umzugehen. – Sie verbrauchten ihre Einkünfte zum Voraus, – mussten sich mit Steuern belasten und dadurch ihre Kraft aufzehren, und wurden schließlich so schwach, dass sie nicht mehr stark genug waren, um ihre Tore zu schließen; und so stießen die Franzosen sie auf.
Ach nein! ach nein! ruft Slawkenbergius, es waren nicht die Franzosen, ihre eigene Neugierde stieß sie auf. – Als die Franzosen, die immer auf der Lauer standen, freilich sahen, dass sämtliche Straßburger, Männer, Weiber und Kinder auszogen, um der Nase des Fremdlings entgegenzugehen, – brauchten sie nur ihrer eigenen nachzugehen und einzurücken.
Handel und Gewerbe sind seitdem dort immer mehr zerfallen und herabgekommen, – aber nicht aus den von Handelsgrössen bezeichneten Gründen; sondern einzig deshalb, weil den Straßburgern die Nasen beständig so im Kopf herumgingen, dass sie ihren Geschäften nicht mehr recht nachkamen.
Ach, ach! ruft Slawkenbergius noch einmal aus; – es ist nicht die erste – und ich fürchte sehr auch nicht die letzte Festung, die durch Nasen gewonnen – oder verloren wurde!
Ende der Erzählung des Slawkenbergius.
Fußnoten
[ 3 ] Hafen Slawkenbergius versteht darunter die Benediktiner Nonnen von Cluny, deren Orden im Jahr 940 durch den Abt Odo von Cluny gestiftet worden war.
[ 4 ] Herr Shandy's Glückwunsch an die Redner! – es ist ihm sehr leid, dass Slawkenbergius hier sein Gleichnis verändert hat – woran er allein die Schuld trägt; – Herr Shandy als Übersetzer tat die ganze Zeit her, was er konnte, um sich genau daran zu halten – hier aber war es unmöglich.
[ 5 ] Haec mira, satisque horrenda. Planetarum coitio sub Scorpio asterismo in nona coeli statione, quam Arabes religioni deputabant, efficit Martinum Lutherum sacrilegium hereticum, Christianae religionis hostem acerrimum atque profanum, ex horoscopi direktione ad Martis coitum, religiosissimus obiit, ejus anima selektissima ad infernos navigavit, — ab Alekto, Tisiphone, et Megara flagellia igneis cruciata perenniter.
87. Kapitel
Bei all' dieser Nasengelehrsamkeit, die beständig meinem Vater durch den Kopf ging – bei so vielen Familienvorurteilen, – und zehn Dekaden solcher Erzählungen, die
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