Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
seit Sodom und Gomorrah, hat niemals eine Stadt so viele Rollen gespielt, wie die Stadt meines Onkels Toby.
Im vierten Jahr meinte mein Onkel Toby eine Stadt sähe lächerlich aus ohne Kirche; er fügte daher eine sehr schöne mit einem Kirchturm bei. Trim war für Glocken darin. – Aber mein Onkel Toby sagte, das Metall würde besser zum Guss von Kanonen verwendet.
Dies führte dazu, dass im nächsten Feldzug ein Halb Dutzend bronzene Feldgeschütze angeschafft wurden, die je zu drei auf jeder Seite des Schilderhauses aufgepflanzt wurden; – bald wurde der Artillerieterrain grösser und grösser – (wie dies immer in allen Steckenpferdgeschichten passiert) – und von Geschützen von ½ Zoll Kaliber kam es endlich bis zu meines Vaters Kanonenstiefeln.
Im nächsten Jahre, wo Lille belagert wurde und gegen dessen Schluss hin Gent und Brügge in unsere Hände fielen, – war mein Onkel Toby in großer Betrübnis wegen Mangels an einer geeigneten Munition – ich sage geeigneten Munition, – denn seine schwere Artillerie war nicht für Pulver eingerichtet, und es war gut für die Familie Shandy, dass dies so war: – denn die Zeitungen waren von Anfang der Belagerung bis zum Schlusse derselben so voll von dem unausgesetzten Feuer, das die Belagerer unterhielten, und die Einbildungskraft meines Onkels Toby war so erhitzt von diesen Berichten, dass er unfehlbar sein Hab und Gut verschossen haben würde.
Es war daher irgend ein Surrogat nötig, besonders in einigen der heftigsten Momenten der Belagerung, um der Phantasie das Bild eines beständigen Feuerns zu gewähren; dieses Surrogat stellte der Korporal, dessen Hauptstärke auf dem Gebiete der Erfindung lag, durch ein ganz neues von ihm entdecktes System der Beschießung her, – ohne welches die militärischen Kritiker diesen Punkt bis ans Ende der Welt als eine der großen Lücken im Apparat meines Onkels Toby bezeichnet haben würden.
Dieser Umstand wird nicht schlechter erklärt werden, wenn ich, wie dies überhaupt meine Gewohnheit ist, etwas weiter aushole.
185. Kapitel
Unter einigen an sich geringfügigen, aber merkwürdigen Sachen, die der arme Tom, der unglückliche Bruder des Korporals, diesem bei Anzeige seiner Verheiratung mit der Judenwitwe geschickt hatte, – befanden sich eine Monteromütze [Eine Art Jagdmütze von Tuch] und zwei türkische Tabakspfeifen.
Die Monteromütze werde ich gelegentlich beschreiben. – Die türkischen Tabakspfeifen hatten nichts Besonderes; sie waren wie gewöhnlich mit biegsamen Röhren von Safian-Leder und Golddraht versehen und verziert; die eine hatte ein Mundstück von Elfenbein, – die andere von schwarzem, mit Silber beschlagenen Ebenholz.
Mein Vater, der Alles von einem anderen Standpunkte aus ansah als die übrige Welt, pflegte zu dem Korporal zu sagen, er habe diese beiden Geschenke mehr als Zeichen von seines Bruders heiklem Wesen als von dessen Liebe zu betrachten. – Tom, pflegte er zu sagen, hatte offenbar keine Lust, Trim die Mütze eines Juden aufzusetzen oder dessen Tabakspfeife zu rauchen. – Aber Euer Gnaden, pflegte der Korporal zu sagen (und gab dabei einen drastischen Grund für das Gegenteil) – wie würde sich denn das reimen?
Die Monteromütze war scharlachrot, vom feinsten spanischen Tuch, und rund herum mit Pelz besetzt, bis etwa vier Zoll an der Vorderseite, die von hellblauem, einfachgesticktem Tuche war. Sie schien einem portugiesischen Quartiermeister nicht der Infanterie, sondern der Reiterei, wie das Wort Montero andeutet, angehört zu haben.
Der Korporal war nicht wenig stolz darauf, sowohl der Mütze selbst wegen als wegen des Schenkers. Er setzte sie daher auch sehr selten und nur an Festtagen auf. Gleichwohl wurde vielleicht niemals eine Monteromütze zu so mancherlei Zwecken verwendet; denn bei allen militärischen oder kulinarischen Streitfragen diente sie ihm, vorausgesetzt der Korporal war seiner Sache sicher, als Beschwörungsformel, – oder als Wettgegenstand – oder als Geschenkmittel.
Dies Mal spielte sie die Rolle des Geschenks.
Dem ersten besten Bettler, der vor unsere Türe kommt, schenke ich meine Monteromütze, sagte der Korporal zu sich selbst, wenn ich diese Sache nicht zur Befriedigung Seiner Gnaden verrichte.
Schon am nächsten Morgen hatte er die Sache fertig; es war dies der Tag, da die Kontreescarpe zwischen der unteren Deule und dem Tor von St. Andreas zur Rechten, – und zwischen dem St. Magdalenentor und dem Flusse zur Linken erstürmt
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