Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
schloss.
Aber um diesen Preis, Eugenius, sagte ich, lässt sich nicht leben; denn da dieser H—sohn nun einmal meine Wohnung ausgefunden hat –
Du nennst ihn beim rechten Namen, sagte Eugenius, denn durch die Sünde, heißt es, sei er in die Welt gekommen. – Es ist mir gleichgültig, auf welche Art er hereingekommen ist, sagte ich, wenn er sich nur nicht so beeilt, mich mit sich hinauszunehmen, – denn ich habe noch 40 Bände zu schreiben; und 40,000 Dinge zu sagen und zu tun, die Niemand auf der Welt für mich tun und sagen könnte als du; und da du siehst, dass er mich am Kragen hat (denn Eugenius konnte mich kaum über den Tisch weg verstehen), und dass ich ihm auf freiem Felde nicht gewachsen bin, sollte ich nicht, so lange dies Bisschen zerrütteten Geistes noch besteht und diese zwei Spinnenfüße (dabei streckte ich ihm einen hin) mich noch tragen können, – sollte ich da nicht lieber durchgehen, um mein Leben zu retten? – Das rate ich dir ebenfalls, lieber Tristram, sagte Eugenius. – Dann soll er mir beim Himmel! einen Tanz machen, an den er nicht im Schlafe denkt, fuhr ich fort; – denn ich will, ohne mich auch nur einmal umzuschauen, bis an die Ufer der Garonne entfliehen; – und höre ich ihn auch dann noch hinter mir klappern, – so will ich bis zum Vesuv ausreissen, – und von da bis Joppe und von Joppe bis ans Ende der Welt; und wenn er mir auch bis dahin folgt, so will ich Gott bitten, dass er den Hals brechen möge.
Dabei riskiert er mehr als du, sagte Eugenius.
Eugenius' Geist und Freundschaft brachte mir wieder einiges Blut in die Wange, wo es seit mehreren Monaten weggeblieben war. – Es war eine böse Abschiedsstunde: er führte mich nach meinem Wagen. – Allons! sagte ich; – der Postknecht tat einen Klatsch mit seiner Peitsche, und – fort ging's wie die Kugel aus dem Rohr, und nach einem halben Dutzend Sprüngen war ich in Dover.
203. Kapitel
Zum Henker! sagte ich, als ich nach der französischen Küste hinüberblickte, – ein Mann sollte zuerst von seinem eigenen Lande etwas wissen, ehe er in die Fremde ginge, – und ich habe noch nie in die Kirche von Rochester geblickt, noch das Dock von Chatham besichtigt, oder St. Thomas in Canterbury besucht, obgleich alle drei mir im Wege lagen.
Aber allerdings ist es bei mir ein besonderer Fall.
Ich verhandelte daher hierüber nicht weiter mit Thomas o Becket oder sonst Jemand, – sondern schiffte mich ein und fünf Minuten später gingen wir unter Segel und flogen dahin wie der Wind.
Sagen Sie einmal, Kapitain, sagte ich, als ich in die Kajüte hinabstieg, ist noch nie Jemand bei dieser Überfahrt vom Tode hingerafft worden?
Ach nein! man hat ja gar keine Zeit um krank zu werden, erwiderte er. – Dieser verdammte Lügner! sagte ich, ich bin ja bereits krank wie ein Pferd! – O mein Kopf! – Das Oberste zu unterst! – O Jerum! die Zellen sind wie zerrissen und untereinander geworfen, das Blut, – die Lymphen, die Nervensäfte, die festen und flüssigen Salze, alle sind in einen Brei zusammengerüttelt! – Guter Gott! Alles dreht sich in meinem Kopf wie tausend Wirbel. – Ich gäbe einen Schilling, wenn ich erfahren könnte, ob ich nachher um so klarer schreibe.
Krank! krank! krank! krank!
Wann landen wir denn, Kapitain? – O diese Leute haben Herzen von Stein. – Ich bin sterbenskrank! – Reich' mir das Ding da her, Junge. – O es ist eine trostlose Krankheit. – Ich wollte, ich läge am Grunde. – Wie geht es denn Ihnen, Madame? – Ganz hin, hin, – o hin, mein Herr! – Wie? kommt es zum ersten Mal? – Nein, zum zweiten, dritten, sechsten, zehnten Mal, mein Herr! – O Je, o Je! – Was ist denn das für ein Getrampel da oben? – He, Kajütenjunge, was gibt es denn eigentlich?
Der Wind ist umgesprungen! – Hols' der Henker! – Dann bekommen wir ihn gerade ins Gesicht.
Welch' ein Glück! – er ist schon wieder umgesprungen, Master. – Der Henker spring' um!
Kapitain, sprach sie, bringen Sie uns um Gottes willen ans Land!
204. Kapitel
Es ist ein großer Übelstand für einen Mann, der Eile hat, dass es drei verschiedene Routen von Calais nach Paris gibt, zu deren Gunsten die verschiedenen Behörden der entlang derselben liegenden Städte so viel gesagt haben, dass man leicht einen halben Tag damit hinbringen kann, bis man sich für eine derselben entschieden hat.
Die erste, welche über Lille und Arras führt, ist die weiteste – aber auch die interessanteste und
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