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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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annehmen. Gut! Ist aber Dolly's Lack in Ermangelung eines bessern, gewöhnliches Nähwachs oder sonst zu weicher Natur – so wird es den Eindruck zwar in sich aufnehmen, aber ihn nicht behalten, so fest auch Dolly darauf drücken mag; und endlich angenommen, das Siegellack sei gut und nehme den Fingerhut an, werde aber nur in der Hast aufgedrückt, weil ihr die Gebieterin gerade schellt – so wird in jedem dieser drei Fälle der durch den Fingerhut gemachte Eindruck dem Muster so wenig gleich sehen wie eine Türschnalle.
    Nun müssen Sie wissen, dass keiner dieser Fälle die wahre Ursache von der Verwirrung in der Rede meines Onkels Toby war; und gerade deshalb habe ich mich solange dabei aufgehalten, nach der Gewohnheit der großen Physiologen, – der Welt zu zeigen, woraus sie nicht entstanden sei.
    Aus was jenes entstand, habe ich schon oben angedeutet; und es ist dies auch wirklich eine reiche Quelle der Dunkelheit – und wird es immer bleiben – nämlich der schwankende Gebrauch der Worte, und hierdurch sind schon die klarsten und bedeutendsten Köpfe in Verwirrung gebracht worden.
    Ich wette Zehen gegen Eins, dass Sie die Literaturgeschichte der Vergangenheit nicht gelesen haben, – haben Sie's aber, welche schreckliche Schlachten, sogenannte Logomachien sind dadurch hervorgerufen und mit Galläpfel und Tintenblut verewigt worden – so dass ein Mann von weichem Herzen die Berichte nicht ohne Tränen im Auge lesen kann.
    Edler Kritikus! wenn du dies Alles erwogen, und dir zugleich vor Augen gehalten hast, wie oft dein eigenes Wissen, Reden und Unterhalten hierdurch und nur hierdurch zu einer oder der andern Zeit verwirrt und unter einander gebracht worden ist; – welchen Lärm und Spektakel es bei Beratungen wegen ουσία und υπόστασις gegeben hat; und in den Gelehrtenschulen wegen Kraft und Geist; – wegen Essenz und Quintessenz – wegen Stoff und Raum; – welche Verwirrung auf noch grösseren Schauplätzen wegen Worten von wenig Bedeutung und ebenso unbestimmtem Sinne entstanden ist; – wenn du dies Alles bedenkst, so wirst du dich nicht mehr über meines Onkels Toby Verlegenheiten wundern – du wirst eine Träne des Mitleids auf seine Escarpe und Kontrescarpe, – auf sein Glacis und seinen bedeckten Weg, – sein Ravelin und seinen Halbmond fallen lassen: nicht durch Ideen wurde sein Leben gefährdet – beim Himmel! sondern lediglich durch Worte.
     
    28. Kapitel
    Sobald mein Onkel Toby seinen Plan von Namur bekommen hatte, begann er sofort sich dem Studium desselben mit dem grösste Eifer zu widmen; denn da ihm nichts wichtiger war als seine Wiederherstellung und diese, wie Sie gelesen haben, von den Erregungen und Bewegungen seines Gemüts abhing, so musste er sich die grösste Mühe geben, um seines Stoffes soweit Herr zu werden, dass er ohne Aufregung darüber sprechen konnte.
    Nach vierzehntägiger fleißiger und mühsamer Arbeit, die beiläufig gesagt der Wunde meines Onkels Toby an seinem Schambein keineswegs gut tat, – war er mit Hilfe einiger Randbemerkungen unten am Plan, nebst Gobesius aus dem Flämischen übersetzter Militärbaukunst und Feuerwerkerei, so weit gekommen, dass er eine ziemlich klare Rede darüber halten konnte, und ehe er es zwei volle Monate so getrieben hatte – war er sogar ganz beredt hierüber geworden, und konnte nicht nur den Angriff auf die vorspringende Kontrescarpe in aller Ordnung ausführen – sondern da er mit der Zeit weit tiefer in die Kunst eindrang, als es für seinen ursprünglichen Zweck nötig gewesen wäre, war mein Onkel Toby jetzt im Stande, die Maas und Sambre zu überschreiten, Diversionen bis zur Vaubanslinie und zur Abtei von Salsines zu machen, und seinen Besuchern eine so bestimmte Schilderung eines jeden dieser Angriffe zu geben, als desjenigen auf das Tor von St. Nicolaus, wo er die Ehre gehabt hatte seine Wunde zu erhalten.
    Allein die Begierde nach weiteren Kenntnissen wächst wie der Durst nach Reichtümern gerade mit Erwerbung derselben. Je mehr mein Onkel über seinem Plan brütete, desto mehr fand er eine Freude daran – nach demselben Prozess, derselben elektrischen Assimilierung, nach welcher, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, die Seelen der Kenner durch lange Friktion mit dem – und Eindringung in den – Gegenstand das Glück haben endlich ganz kenntnisvoll – gemäldevoll – schmetterlingvoll und geigenvoll zu werden.
    Je mehr mein Onkel Toby aus dieser süßen Quelle der Wissenschaft trank, desto

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