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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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mein Onkel Toby und stand auf und ging mit der Fliege in der Hand aus Fenster – ich will dir kein Haar auf deinem Haupte verletzen: – Geh, sagte er und schob das Fenster zurück und öffnete dabei die Hand, damit sie fortfliegen konnte – geh, armes Ding, mach' dass du fort kommst, warum sollte ich dir was tun? – Die Welt ist groß genug, um dir und mir Raum zu gewähren.
    Ich war erst zehn Jahre alt, als dies geschah; aber mochte nun die Handlung an sich in jenem Alter der Weichheit mehr mit meinen Empfindungen zusammenstimmen, so dass sie mein ganzes Wesen von dem süßesten Gefühl erbeben machte; – oder mochte die Art wie sie geschah, der Ausdruck in dem sie erfolgte, mir besonders sympathisch sein; – oder mochte der Ton der Stimme, die Harmonie der vom Mitleid gestimmten Bewegung durch irgend einen geheimen Zauber den Weg zu meinem Herzen finden – ich weiß nicht was es war – aber soviel ist gewiss, dass die Lehre von einem Alles beherrschenden Gesetz der Güte, die mir mein Onkel Toby damals gab und einprägte, sich seither nie mehr in mir verwischt hat; und wenn ich auch nicht verkennen will, was das Studium der literae humaniores auf der Universität in dieser Richtung mir nützte, noch auch die andern Hilfsmittel einer kostspieligen Erziehung zu Hause und auswärts zu gering anschlagen möchte; – so muss ich doch oft denken, dass ich die Hälfte meiner Menschenfreundlichkeit jenem zufälligen Eindruck verdanke.
    Dies möge Eltern und Erziehern statt eines ganzen Buches über diesen Gegenstand dienen.
    Ich konnte diesen Zug im Bilde meines Onkels Toby dem Leser nicht mit dem Griffel geben, mit welchem ich die übrigen Teile desselben zeichnete – indem dieser nur die Steckenpferdähnlichkeit behandelt – während jener Zug zu seinem moralischen Charakter gehört. In Beziehung auf dieses geduldige Hinnehmen von Kränkungen war mein Vater ganz anderer Art, wie der Leser längst bemerkt haben wird; er besaß eine weit schärfere und raschere Empfänglichkeit, die einen ätzenden Beigeschmack hatte. Wenn ihn sein Temperament auch nie zu etwas hinriss, was wie Bosheit aussah: – so benahm er sich doch bei den kleinen Reibungen und Ärgernissen des Lebens mit einer gewissen drolligen und witzigen Herbigkeit. – Er besaß jedoch eine offene, edle Natur; – und war stets der Überzeugung zugänglich; und bei den kleinen Ausbrüchen seines sauren Humors gegen Andere, besonders aber gegen meinen Onkel Toby, den er wahrhaft liebte – empfand er selbst mehr Pein, zehn Mal mehr (ausgenommen bei der Geschichte mit meiner Tante Dinah oder wenn es sich um eine Hypothese handelte) als er jemals verursachte.
    Die Charaktere der beiden Brüder setzten einander in dieser Beziehung gegenseitig in ein vorteilhaftes Licht, was sich besonders bei dem Handel zeigte, der wegen Stevenius anging.
    Ich brauche dem Leser, wenn er selbst ein Steckenpferd besitzt, nicht zu sagen, – dass eines Menschen Steckenpferd zu den kitzlichsten Dingen gehört, die er besitzt; und dass diese durch nichts hervorgerufenen Hiebe auf das Steckenpferd meines Onkels Toby nicht spurlos an diesem vorüber gingen – Nein! – wie ich schon oben bemerkte, mein Onkel Toby fühlte sie, und zwar sehr tief.
    Und was sagte er dazu? – Wie benahm er sich? – O mein Herr! das war großartig. Sobald mein Vater sein Steckenpferd so verletzt hatte – wendete er seinen Kopf ohne die geringste Aufregung von Dr. Slop weg, an den er seine Rede gerichtet hatte, und sah meinem Vater ins Gesicht mit einer Miene, in der so viel Gutmütigkeit – so viel Sanftmut – so viel Brüderlichkeit – so unaussprechlich viel Zärtlichkeit lag, dass es meinem Vater einen Stich durch's Herz gab. Er sprang auf, fasste meinen Onkel Toby bei beiden Händen und sprach: – Bruder Toby, sagte er – ich bitte dich um Verzeihung – vergib mir dieses jähe Wesen, das ich von meiner Mutter habe. – Lieber, lieber Bruder, erwiderte mein Onkel Toby, indem er sich mit meines Vaters Hilfe erhob, sprich nichts mehr davon – beruhige dich, es hat nichts auf sich, und wenn es zehn Mal ärger gewesen wäre. – Aber es ist unedel, fuhr mein Vater fort, irgend Jemand zu beleidigen – vollends einen Bruder – aber gar einen Bruder zu beleidigen, der so sanft ist wie du – der so wenig Anlass gibt – so gar nicht nachträgt – das ist schlecht, – bei Gott, es ist feig. – Beruhige dich doch, lieber Bruder, es hat nichts auf sich, wiederholte mein Onkel Toby – und

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