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Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Biegert
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Geliebte jedenfalls hat er danach nie wieder gesehen. Während diese auf einer Parkbank in München versuchte, ihrem Leben ein Ende zu setzen, begann seine zweite „Karriere“ in Diensten von Joseph Goebbels. Er wurde Sprecher und bald die bekannteste Stimme des Propagandasenders „Germany Calling“, dessen Sendungen die Stimmung in Großbritannien beeinflussen sollten. Seine nasale Stimme und die bemüht aristokratische Aussprache des Mannes, der tatsächlich nie ein Mitglied der „besseren“ englischen Kreise wurde, waren es, die ihm den Spitznamen „Lord Haw-Haw“ einbrachten. Seinen letzten Kommentar schickte er am 30. April 1945 – hörbar betrunken – über den Äther. Noch einmal beschimpfte er Großbritannien für dessen Rolle im Krieg und ein letztes Mal verabschiedete er sich mit einem „Heil Hitler“. Nach Kriegsende fiel er britischen Soldaten in die Hände. In Großbritannien wurde ihm der Prozess wegen Hochverrats gemacht. Im Grunde wäre das juristisch gar nicht zulässig gewesen, denn William Joyce war nie wirklich britischer Staatsbürger. Doch das Gericht argumentierte, Joyce habe sich mit seinem – wenn auch erschlichenen – britischen Pass unter den Schutz des Königs gestellt und diesem daher Treue geschuldet.
    Als William Joyce am 3. Januar 1946 im Gefängnis von Wandsworth am Galgen starb, war seine Tochter Vanessa Mitford fünfeinhalb Jahre alt.
    Sie wuchs weitgehend unbeeinflusst von ihrem leiblichen Eltern auf. Ihren Vater hat sie ohnehin nie kennengelernt, und der Kontakt zu ihrer Mutter beschränkte sich auf wenige Besuche gemeinsam mit ihrer Großmutter, Lady Redesdale. Unity Mitford war, als sie ihre Tochter Vanessa zur Welt brachte, am 20. Mai 1940, bereits in erster Linie Patientin. Auch britische Ärzte hatten nicht den Versuch gewagt, die Pistolenkugel aus dem Gehirn zu entfernen. So waren ihr noch ein paar Jahre beschieden, die sie zwar bei relativer körperlicher Gesundheit doch in geistiger Schwäche verbrachte. Bis zum Tod der Mutter 1948 lebte Vanessa in einem Heim, danach wurde sie von ihrer Tante Diana und ihrem angeheirateten Onkel Oswald Mosley aufgenommen und adoptiert. Einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie in diesem einschlägig gefärbten Umfeld, zunächst in Irland, später in Frankreich.
    Man sagt sicher nichts Falsches, wenn man bemerkt, das Ungewöhnlichste an Vanessa Baladier, geborene Mitford, sei die Tatsache, dass sie von einer Mutter zur Welt gebracht wurde, die zu diesem Zeitpunkt eine Kugel im Kopf hatte. Sie wuchs heran, verließ irgendwann ihr Adoptivelternhaus und wurde Malerin. Als sie 35 Jahre alt war, heiratete sie Pierre Baladier. Und im relativ fortgeschrittenen Alter von 39 brachte sie ihre einzige Tochter zur Welt.
    Greta Baladier hat nie öffentlich über ihre Familie gesprochen – weder bevor, noch nachdem sie dieser als Jugendliche schon den Rücken gekehrt hat, um sich an einem Tennisinternat in Deutschland ausbilden zu lassen. Sie hat sich gegen die Sanktionen der Tennisverbände und damit gegen das Ende ihrer Karriere als Profisportlerin nicht gewehrt, sie hat den Strafbefehl wegen Körperverletzung akzeptiert und sich nicht gerechtfertigt. Es heißt, sie habe ihren Lebensmittelpunkt in den Heimatort ihres Lebensgefährten, eines Südtiroler Hoteliers, verlegt.
    Greta war wie betäubt. In der Geschichte stand nichts Falsches und nichts, was sie nicht schon gewusst hätte. Und doch fühlte sie sich beschmutzt von diesem ... Sie blätterte noch einmal zurück auf die erste Seite. In der Autorenzeile stand: „Von Jacques Brel“ .
    „Lächerlich“, dachte sie sich, „der große Enthüllungsjournalist schreibt selber unter Pseudonym.“
    Greta schaute aus dem Fenster. Ihr Blick fiel auf ein Auto, das gegenüber vom Jägerhof auf der anderen Straßenseite stand. Sie wunderte sich; an dieser engen, unübersichtlichen Stelle parkte normalerweise nie jemand. Es war ein Renault, der in einem bemerkenswert hässlichen Lila-Ton lackiert war. Wahrscheinlich hat der, dem das Auto gehört, einen ordentlichen Rabatt bekommen, dachte Greta und musste lächeln. Oder er war farbenblind; wer würde sonst schon die Kombination aus einer lila Heckklappe und einem gelben Kennzeichen ertragen? Ein gelbes Kennzeichen? Greta öffnete das Fenster und streckte den Kopf heraus, so dass sie das Nummernschild besser erkennen konnte. Es war in der Tat gelb, links hatte es einen blauen Balken mit zwölf goldenen Sternen und einem weißen „F“, die

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