Lauter Bräute
Acapulco.«
Mr. Tompkins trat behende vor. Leise, beinahe in Mr. Carrolls Ohr, sagte er: »Darf ich Ihr Telefon benutzen, Sir?«
»Warum, Tompkins?«
»Ich möchte Washington anrufen. Sie können sofort etwas unternehmen, über die mexikanische Einwanderungsbehörde.«
»Darf ich unterbrechen?« fragte Mr. Haysmill kühl.
»Bitte«, erwiderte Mr. Carroll.
»Ich möchte lediglich vorschlagen, daß wir, nun wir wissen, Nina und dieser Bursche Leeman sind in Acapulco, erstens nichts Halbüberlegtes tun. Zweitens sollten wir nicht im voraus ankündigen, was wir vorhaben. Wenn wir Nina und Leeman aufscheuchten, werden sie zweifellos davonlaufen. Und es könnte sehr wohl sein, daß sie so weit und so schnell laufen, daß wir sie nicht noch einmal einholen. Ich schlage daher vor, daß wir schnell handeln und ohne jedes Aufsehen. Einverstanden?«
»Einverstanden«, erklärte Mr. Watkins II.
»Danke«, erwiderte Mr. Haysmill. Er zog ein winziges, schwarzes Buch aus einer seiner Westentaschen, warf einen Blick auf die erste Seite und fragte, zu Mr. Carroll gewandt: »Darf ich einmal telefonieren?«
»Aber bitte«, sagte Mr. Carroll und reichte ihm eilends den Apparat herüber.
Alles starrte wie gebannt, wie Mr. Haysmill, der buchstäblich Macht aus allen Poren verströmte, der Vermittlung eine Nummer aus seinem kleinen, schwarzen Buch hinmurmelte. Wenige Augenblicke später sagte er: »Charles? Hier Haysmill. Wie geht’s, Charles?«
Ich spitzte die Ohren, doch mehr als ein leises Zischen war aus dem Hörer nicht zu erhaschen.
Mr. Haysmill lachte heiter. Dann sagte er: »Charles, könnten Sie mir wohl einen Gefallen tun? Ich müßte wegen einer sehr plötzlich aufgetauchten, wichtigen Angelegenheit so bald wie möglich nach Acapulco. Ja, heute noch. Nein, wir werden zu zweit sein; der junge Donald Watkins und ich. Ja, ich warte.«
Wir warteten alle. In weniger als einer Minute begann es wieder im Hörer zu zischen. Mr. Haysmill lauschte aufmerksam, lächelte. »Besten Dank, Charles. Zwei andere Fluggäste werden enttäuscht sein? Wie traurig. In zwei Stunden, sagen Sie? Ausgezeichnet. Das schaffen wir bequem.«
Er legte den Hörer auf und blickte uns ruhig an. »Da«, sagte er. »Sie sehen, es ist sehr einfach. Donald und ich werden heute nachmittag in Acapulco sein. Nina wird sicher überrascht sein, uns zu sehen.«
Charles! dachte ich. Einen Augenzahn würde ich für diese Telefonnummer geben. Was für eine Telefonnummer! Man hatte das Gefühl, daß Charles stets da war. Er saß da und zischte vor sich hin wie ein Teekessel, vierundzwanzig Stunden am Tag, stets bereit, Mr. Haysmill jeden Wunsch zu erfüllen.
»Wir müssen gehen«, sagte Mr. Haysmill im Aufstehen. »Miß Evans, würden Sie die Freundlichkeit haben, den Namen des Hotels noch einmal zu wiederholen?«
»Hotel Erzherzog Maximilian.«
»Vielen Dank.« Er schrieb es sich sorgfältig in sein kleines, schwarzes Buch. Dann wandte er sich zu Donald. »Du bist doch in Acapulco schon auf Fischjagd gewesen, nicht wahr, mein Junge?«
»Aber gewiß.«
»Nun«, erklärte Mr. Haysmill aufgeräumt, »jetzt sind wir hinter einem anderen Fisch her, hinter einem Fotografen-Fisch. Hast du so einen schon einmal mit dem Speer erlegt?«
Donalds Augen glitzerten.
Mir sank das Herz. Armer Tommy, dachte ich. Arme Nina. Sie hatten keine Chance.
Die Gesellschaft brach auf. Mr. und Mrs. Haysmill, Mr. Watkins II und Mr. Watkins III wurden von Mr. Carroll, Miß Martin und Mr. Tompkins zum Fahrstuhl begleitet. Mr. Carroll murmelte beim Hinausgehen: »Bitte, hierbleiben, Miß Evans«, und ich blieb also stehen, bewacht von Kirkpatrick.
Mr. Carroll machte einen ermatteten Eindruck, als er zurückkam. Kein Wunder. Auch ich fühlte mich matt und hatte keinen Herzanfall hinter mir. Noch nicht jedenfalls.
Er nahm hinter seinem riesigen Mahagoni-Schreibtisch Platz, tupfte sich mit einem Taschentuch aus seiner Brusttasche die Stirn, steckte es zurück an seinen Platz und sagte schließlich traurig und mutlos: »Nun, Miß Evans?«
»Ja, Mr. Carroll?«
»Sagen Sie mir eines. Haben Sie irgendeine Vorstellung, wie viele Fotoaufnahmen im Brautsalon seit seiner Eröffnung gemacht worden sind?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, Sir.«
»Tausende?«
»Viele, viele Tausende.«
»Und dies ist Ihres Wissens das erstemal, daß ein Fotograf mit einer Braut durchgebrannt ist?«
»Ja, Sir.«
Er nahm einen Bleistift und drehte ihn zwischen den Fingern. »Und bedeutet dies nach
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