Lauter Bräute
ich bin nicht einmal zu Tisch gegangen! Und sehen Sie sich diese Zahlen an! Sehen Sie sich an, wie meine Abteilung läuft! Wieso erteilt man mir noch einen offiziellen Verweis? Warum?«
»Die Haysmill-Affäre.«
»Die Haysmill-Affäre? O nein.« Mir wich aller Wind aus den Segeln. Ich sank zurück auf meinen Stuhl.
»So lauten meine Instruktionen von Mr. Carroll, Miß Evans.«
Ich sprang wieder in die Höhe, flammend vor Empörung. »Nun, Mr. Kirkpatrick, es tut mir leid. Sie können Mr. Carroll mitteilen, daß ich mich weigere, einen Verweis wegen der Haysmill-Angelegenheit hinzunehmen. Mein Gott, Sie können doch nicht mich dafür verantwortlich machen, wenn ein Mädchen seine Meinung ändert und mit einem anderen Mann durchbrennt. Ich habe das nicht veranlaßt! Ich habe ihr das auch nicht eingeredet! Wenn sie zu der Überzeugung kam, daß sie Tommy Leeman mehr liebte als Donald Fumieux Watkins III, so ist das ihre Sache, nicht meine, und auch nicht Ihre oder Mr. Carrolls —«
»Miß Evans —«
»Ich will nichts mehr hören«, schmetterte ich. »So eine Ungerechtigkeit ist mir noch nicht vorgekommen!«
Kühl erwiderte er: »Mr. Carroll und ich haben diese Seite des Falles erörtert —«
»Des Falles! Es ist kein Fall! Das Mädchen hat sich in einen jungen Mann verliebt und ist mit ihm davongelaufen, das ist alles. So etwas passiert alle Tage. Lesen Sie oder Mr. Carroll nie Zeitungen?«
»Würden Sie mich bitte ausreden lassen«, erklärte er eisig. »Mr. Carroll und ich waren übereinstimmend der Ansicht, daß Ihnen gerechterweise kein Vorwurf gemacht werden kann für das, was Miß Haysmill tat. Darauf bezieht sich der Verweis auch nicht.«
»Worauf bezieht er sich dann? Für was bin ich denn verantwortlich?« Ich kam mir vor wie ein Dschungelwesen, ganz Zähne und Krallen, sprungbereit.
»Der Verweis ist dafür, daß Sie Informationen nicht überprüften.«
»Was?«
Er wiederholte: »Dafür, daß Sie Informationen nicht überprüften.«
»Welche Informationen? Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Mr. Kirkpatrick. Was meinen Sie mit Informationen?«
»Zu Ihrer Information, Miß Evans — es gibt kein Hotel Erzherzog Maximilian in Acapulco.«
Mit einem hörbaren Pfft ging mir die Luft aus. »Das gibt es nicht?« fragte ich tonlos.
»Nein.«
»Aber dorthin sollten wir auf Anweisung von Miß Haysmill das Brautkleid schicken! Und das Hotel existiert gar nicht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann flogen also Mr. Haysmill und Donald Furnieux Watkins III vergeblich dort hinunter?« rief ich.
»Eben.«
»Oh, wie himmlisch! Wie wundervoll! Oh, diese Nina! Sie hat es ihnen gezeigt! Und wir dachten alle, sie besitzt keinen Funken Verstand. Dabei ist das Mädchen ein Genie!«
Mr. Kirkpatrick sagte keinen Ton. Er stand da und beobachtete mich wie üblich, so, als könne er sich auch bei Aufbietung aller Phantasie nicht vorstellen, wie mein Gehirn eigentlich funktionierte. Schließlich sagte er abrupt: »Guten Abend, Miß Evans.«
»Guten Abend, Mr. Kirkpatrick. — Oh, übrigens was diesen Verweis angeht.«
»Ja?«
»Erwartet man von mir, daß ich kündige, meine Dienstabzeichen abgebe oder dergleichen?«
»Noch nicht«, gab er zurück; und so gingen wir auseinander.
7
Der Sonntag ist ein Tag zum Briefeschreiben — das heißt, wenn man sich das Haar gewaschen und mindestens ein Drittel des Kreuzworträtsels im New York Times Magazine gelöst hat. An diesem Sonntag war ich hoffnungslos festgefahren bei einem Wort mit sechs Buchstaben, ursprünglich alles, was ein Winkeldach besaß (nachher stellte sich heraus, es war Kamera — diese gemeinen Hunde) und setzte mich hin, um an meine Mutter zu schreiben; dann schrieb ich an meine Schwester Evvie; und dann an Sam Hickock, meinen Verehrer in Moberly, Massachusetts.
Sam war seit meinem fünfzehnten Lebensjahr mein Anbeter gewesen, und er hatte sich stets und standhaft geweigert, diesen Status aufzugeben, obwohl er rein ehrenhalber ist. Ich habe ihm deutlich gesagt, daß ich nicht die Absicht habe, je nach Moberly zurückzukehren; wogegen er den verrückten Traum hat, eines Tages Bürgermeister von Moberly zu werden; wir sind also zweifellos nicht füreinander geschaffen, und ich habe ihn häufig gedrängt, sich ein Mädchen zu suchen, das geographisch nicht zu weit von ihm entfernt lebt. Doch Sam besteht auf seiner Treue, und ich bekomme jeden Dienstagmorgen einen langen Brief von ihm, in dem er mir über alles berichtet, was sich im Laufe der
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