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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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näher und sagte: »Sie scheinen mit dem Jungvolk sehr gut umgehen zu können, Miß Evans.«
    Mein Gott, war der Kerl eine Nervensäge! Ich antwortete: »Ach, wissen Sie, das gehört auch zum Kundendienst.«
    »Vielleicht möchten Sie gern nach Kinderbekleidung versetzt werden?«
    »Mr. Kirkpatrick, das kleine Mädchen gehört zur nächsten Bräulegeneration. In sechs oder sieben Jahren wird sie in eigener Sache wieder hier sein. Wir müssen diese jungen Damen mit großer Achtung behandeln.«
    »Sie könnten vielleicht den Anfang damit machen«, sagte er, »daß Sie grammatikalisch einwandfrei mit ihnen sprechen. Sowie Montag ist sprachlich falsch, Miß Evans.«
    »Soweit es Lucy betrifft, stammt es geradewegs aus Fowlers Wörterbuch. Doch darüber unterhalten wir uns besser ein andermal, Mr. Kirkpatrick. — Ja, bitte, gnädige Frau? Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Eine magere Frau mit brennenden, dunklen Augen stand am Empfang. Sie war wohl Ende Dreißig; sie trug ein bis ans Kinn hochgeknöpftes, schwarzes Kleid und war überhaupt nicht zurechtgemacht. Merkwürdig — ich hätte wirklich nicht gewußt, wie ich sie beschreiben sollte; ich sah nur ihre dunklen, glühenden Augen — alles übrige war leer, verwischt.
    »Ich beabsichtige zu heiraten«, sagte sie. Sie warf unruhige Blicke auf Kirkpatrick, als wünsche sie, er möge verschwinden; doch er blieb stocksteif an meiner Seite. Wahrscheinlich prüfte er mein Verkaufstalent.
    »Wann ist Ihr Hochzeitstermin, gnädige Frau?«
    »Im August.«
    »Ist die Trauung in der Kirche oder privat?«
    »In einer Kapelle.«
    »Also demnach eine offizielle Zeremonie?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Haben Sie bestimmte Vorstellungen hinsichtlich Machart oder Stoff...«
    »Nein, nein.« Ihre Stimme klang seltsam leidenschaftlich.
    »Ich werde das Brautkleid meiner Mutter tragen. Sie hat es mir in ihrem Testament vermacht. Es hat all die Jahre auf mich gewartet.«
    Ruhig, zu Kirkpatricks Nutz und Frommen, fuhr ich fort: »Aha. Das Kleid soll also für Sie geändert werden?«
    »Nein! Es paßt ausgezeichnet! Ich möchte keinen Stich daran geändert haben!«
    Langsam wurde die Situation kritisch. »Nun, gnädige Frau, auf welche Weise können wir Ihnen behilflich sein?«
    »Ich brauche etwas für den Kopf.«
    »Einen Kopfputz also?«
    »Einen Kopfputz! Ah, ja! Ich wußte nicht, wie man das nennt! Das ist doch kein Hut, nicht wahr?«
    »Es ist entschieden kein Hut. Jedenfalls nicht bei einer formellen kirchlichen Trauung. Hatten Sie an einen besonderen Stil gedacht?«
    Ihre Augen verdüsterten sich. »Ja.«
    »Können Sie ihn beschreiben, gnädige Frau?«
    Jetzt flammten ihre Augen. »Eine Dornenkrone.«
    Ich zuckte nicht mit der Wimper. »Ich werde unsere Modistin, Miß Margot, rufen. Sie wird Ihnen sicherlich gern eine Dornenkrone entwerfen. Würden Sie bitte Platz nehmen?«
    Sie lächelte, ging ins Foyer und setzte sich in einen unserer weißgoldenen Armsessel. Kirkpatrick öffnete den Mund, um eine Bemerkung zu machen, als ich den Telefonhörer aufnahm, um Margot anzurufen; doch dann besann er sich anders und stakste davon.

    Um Viertel nach fünf übernahm Alice Pye meinen Platz im Empfang mit der Weisung, keine weiteren Kunden einzulassen, und ich ging in mein Büro, um die Tagesabrechnung aufzustellen. Ich saß, kritzelte Zahlen und addierte sie; und als ich mich gerade selbst zu dem Ergebnis beglückwünschte — wir hatten einen außergewöhnlich guten Tag gehabt, und unsere gesamte hohe Obrigkeit würde sich wahrscheinlich als Folge unserer harten Arbeit Cadillacs mit Klimaanlage anschaffen können — spazierte mein Freund Ungemach herein, einen inzwischen wohlbekannten Ausdruck in den Augen.
    Frisch-fröhlich, in dem Versuch, ihm zuvorzukommen, hob ich an: »Mr. Kirkpatrick, ich habe gerade den Tagesabschluß fertig. Wir haben einen Rekordtag gehabt—«
    »Tatsächlich?« antwortete er, und seine Stimme war so bar jeder Begeisterung, daß ich mich schleunigst in mein Seelengehäuse zurückzog.
    Ich seufzte. »Also, Mr. Kirkpatrick, was habe ich nun schon wieder verbrochen?«
    »Miß Evans, ich bin von Mr. Carroll ersucht worden, Ihnen einen offiziellen Verweis zu erteilen. Das ist der zweite seit Mittwoch.«
    Das kam so überraschend und erschien so ungeheuerlich und ungerecht, daß ich jede Beherrschung verlor. Ich sprang auf. »Ein offizieller Verweis! Noch einer! Wofür? Sie haben selbst gesehen, wie ich den ganzen Tag gearbeitet habe, seit heute früh um neun —

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