Lauter Bräute
auch nicht?« erkundigte er sich besorgt, worauf ich erwiderte: »Es klingt unerhört interessant.«)
Wir hätten bis ins Unendliche so weiterreden können; doch während die Geigerin hinreißend Saint-Seäns’ Rondo Capriccioso spielte, sah ich mit Entsetzen, wie spät es war. »Mr. Kirkpatrick, wissen Sie, daß es Viertel nach sieben ist?«
»Viertel nach sieben?« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Himmel, tatsächlich. Gerade Zeit für noch ein Glas.«
»Nein, nein, es ist zu spät. Ihre Frau fragt sich wahrscheinlich bereits, ob sie Sie jemals wieder zu Gesicht bekommen wird.«
Er lehnte sich zurück. »Meine Frau?«
»Ich habe Sie zusammen gesehen«, erklärte ich. »Ja, wann war das? Am letzten Sonntag, nachmittags. Sie ist sehr reizend.«
»Aha«, meinte er. »Sie finden meine Frau also sehr reizend. Vielen Dank.
— Miß Evans, wenn Sie nichts mehr zu trinken mögen, möchten Sie dann vielleicht mit mir zu Abend essen?«
Es klang leise beschwipst, doch das war durchaus nicht der Fall, und er lächelte mich an, als hätte ich etwas außerordentlich Komisches gesagt oder getan. Ich ignorierte dies Lächeln und erklärte höflich: »Ich bin zum Abendessen verabredet.«
»Ich auch, Miß Evans. Hören Sie zu: ich mache einen Handel mit Ihnen. Wenn Sie Ihre Verabredung schießen lassen, tue ich das gleiche. Wie ist’s?«
Was, um alles in der Welt, war in den Mann gefahren? fragte ich mich. Er fühlte sich wohl zurückversetzt in die Marine, auf Landurlaub nach drei Monaten am Nord- oder Südpol. Er klang recht leichtsinnig und kümmerts mich — wie ein rothaariger David Niven. Welche Überraschung!
Ich murmelte, daß ich doch wohl gehen müsse.
»Denken Sie dabei an meine Frau, Miß Evans? Das arme, unglückliche Wesen. Vernachlässigt, betrogen...« Er zog mich auf; da war Stillschweigen das Gescheiteste.
Er fuhr fort: »Zu Ihrer Information, Miß Evans, ich bin Junggeselle — und froh darüber. Das attraktive weibliche Wesen, mit dem Sie mich neulich nachmittags gesehen haben, ist meine Schwester Alicia, verheiratet mit John Dietrich.«
»Oh«, sagte ich.
»Außerdem sollte ich heute um sieben Uhr bei ihnen zum Abendessen sein, und sie fragen sich wahrscheinlich, was mit mir los ist, da ich normalerweise pünktlich zu sein pflege. — Sind Sie sicher, daß Sie nicht mit mir zu Abend essen können?«
»Es geht wirklich nicht, Mr. Kirkpatrick.«
»Dann müssen wir wohl gehen. Und ich werde Alicia anrufen, um ihr zu sagen, daß ich unterwegs bin.«
»Ich bin auch reichlich spät dran und muß telefonieren.«
Er zahlte, wir gingen hinaus ins Foyer und steuerten jeder eine Telefonzelle an. Ich war richtig gern mit ihm zusammen gewesen, und ich trennte mich mit Bedauern von ihm in dem Augenblick, da unser Verhältnis von Feindseligkeit in eine Art Freundschaftlichkeit überzugehen begann. Und während ich Suzannes Nummer wählte, dachte ich: Wie merkwürdig, daß er nicht verheiratet ist. Warum wohl nicht? Vielleicht war er durch seinen Posten in der Marine zu sehr in Anspruch genommen. Vielleicht hatte er als U-Boot-Offizier nicht viel Gelegenheit, Frauen kennenzulernen. Bei Fello-wes allerdings würde es ihm daran nicht mangeln. Da gab es Tausende und Abertausende.
Suzanne meldete sich. Sie klang aufgeregt und erhitzt. »D’Arcy? — Wie? Was? Du kommst etwas später? O. K., macht nichts. Ich habe ein Heidentheater mit dem Hühnertopf, den ich uns zum Abendessen mache... ja, ich bin gräßlich schlechter Laune; möchte mir am liebsten die Gurgel durchschneiden. O.K. Also dann in einer halben Stunde.«
Ich verschönerte kurz mein Aussehen, ehe ich mich draußen in der Halle wieder zu Kirkpatrick gesellte. Meiner Meinung nach bemerkte er es, enthielt sich jedoch jeden Kommentars. »Haben Sie Ihre Freunde erreicht?« fragte er.
»Ja.«
»Sehr schade. Ich hoffte bereits, es habe nicht geklappt, und Sie könnten doch ein Steak mit mir essen kommen.«
»Mr. Kirkpatrick, Sie sind zum Abendessen bei Ihrer Schwester.«
»Ja, aber sie ist ein sehr verständnisvolles Mädchen.«
Wir gingen hinaus auf die Fifth Avenue. Er sah leicht grimmig aus, als sei er es nicht gewöhnt, daß ihm etwas so danebenging. Auch ich fühlte mich etwas enttäuscht. Ein Steak wäre einem Hühnertopf à la Suzanne entschieden vorzuziehen gewesen, und außerdem hätte ich gern mehr über das Vorleben meines rothaarigen U-Bootfahrers gehört.
Wir verabschiedeten uns schnell. Ich sagte: »Gute Nacht, Mr.
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