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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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Verstanden?«
    Esmond nickte. »Ich heiße Joe Grope und wohne in der Lyle Road in Ealing. Wo ist denn das?«
    »In London. Und jetzt wiederholst du deinen neuen Namen immer wieder. Verstehst du?«
    »Ja. Ich bin Joe Grope aus Ealing. Aber warum muss ich Joe Grope aus Ealing sein?«
    »Das ist im Augenblick nicht so wichtig. Komm mit, dann kriegst du ein schönes, großes Frühstück. Offensichtlich hast du’s nötig.«
    Sie gingen hinunter in die Küche, und während Esmond an dem sauber geschrubbten, uralten Kartentisch Platz nahm, briet Belinda Spiegeleier mit Speck und kochte starken Kaffee. Der verwirrte Esmond wiederholte ein ums andere Mal seinen neuen Namen. Nach dem Frühstück fühlte er sich besser, ein bisschen besser, aber nicht gut genug, um zu merken, wie Belinda ihm eine kleine Tablette in den Kaffee tat.
    Als Esmond ihn ausgetrunken hatte, dämmerte er von Neuem weg, und Belinda musste ihm ins Schlafzimmer hinaufhelfen, wo sie das Bett neu machte und den Nachttopf hervorzog, so dass er ihn leicht erreichen konnte. Dann zog sie ihn aus und steckte ihn ins Bett. Inzwischen schlief er tief und fest, und die Schlaftablette in seinem Kaffee garantierte, dass er erst am nächsten Morgen aufwachen würde.
    Unten erläuterte Belinda ihrer Großtante ihren Plan. Diese hatte lange genug darauf gewartet, zu erfahren, wieso ihre Großnichte hier aufgetaucht war, und noch dazu mit einem fremden jungen Burschen. Belinda ließ ein paar Tränen fließen, als sie ihre erbärmliche Ehe und ihre furchtbare Schwägerin schilderte.
    »Ich habe diesen schrecklichen Mann verlassen, und seinen entsetzlichen modernen Bungalow auch«, schluchzte sie. »Du hast ja keine Ahnung, wie fürchterlich es dort unten war. Und jahrelang hat er sich um den Verstand gesoffen. Mit ein bisschen Glück ist das irgendwann mal sein Tod. Und er hat darauf bestanden, blöde Partys zu feiern und Diebe dazu anzustiften, Autos zu klauen. Am schlimmsten war, dass er keine Kinder zeugen konnte, Töchter schon gar nicht. Alles, was ihn interessiert hat, war Geld. Na der wird Augen machen. Ich habe jeden Penny mitgebracht, den er in seinem Safe versteckt hatte, um dir zu helfen.«
    »Du hast ihn doch nicht umgebracht, Belinda, oder?«, erkundigte sich Myrtle eher neugierig als schockiert.
    »Nein. Obwohl ich das vielleicht hätte tun sollen.«
    »Aber wer ist der Junge, den du mitgebracht hast, und wieso sagt er immer, er würde Esmond heißen?«
    »Ich habe seinen Namen geändert. Jetzt ist er Joe Grope, und wenn irgendjemand fragen sollte, kommt er aus Ealing im Westen von London, nicht aus Croydon.«
    »Aber warum hast du ihn überhaupt mitgebracht?«
    »Ich wollte ihn retten. Seine Mutter ist Alberts Schwester, und sie ist auf andere Art genauso furchtbar wie er. Sie trieft nur so vor Schmalz und sülzt herum. Nennt ihn jedes Mal ›ihren geliebten Sohn‹, wenn sie von ihm spricht. Entweder das oder ›mein kleines Kind der Liebe‹, und dabei ist er mittlerweile eins achtzig. Da wird einem doch übel.«
    »Was sagt denn sein Vater dazu?«
    »Der hat versucht, den Jungen mit einem Küchenmesser umzubringen. Deswegen hat seine grauenvolle Mutter ihn ja zu uns gebracht, zu seinem Schutz. Und Albert blieb letztlich nichts anderes übrig. Frag mich bloß nicht, warum. Jedenfalls hat mein jämmerlicher Ehemann ihn bis zum Kragen mit Alkohol abgefüllt und ist dann selbst umgekippt. Da habe ich beschlossen, ihn nach Grope Hall mitzunehmen. Hier bleibt er wenigstens nüchtern, und ich dachte, er könnte sich auf der Farm nützlich machen.«
    »Da ist was dran«, meinte ihre Großtante. »Männer in meinem Alter sind seit dem Krieg schwer zu kriegen. Haben sich wohl alle umbringen lassen, und seit mein Harold gestorben ist, habe ich nicht mehr die Energie oder das nötige Aussehen, um loszuziehen und mir einen anderen zu suchen. Außerdem könnte ich in meinem Alter sowieso keine Kinder mehr kriegen, und obendrein brauchen wir ein Mädchen.«
    »Das dachte ich mir. Das ist auch ein Grund, weswegen ich ihn hergebracht habe. Wir werden heiraten und Kinder bekommen, und er kann auf dem Hof arbeiten. Jetzt, wo ich seinen Namen geändert habe, wird uns niemand finden. Ich habe es satt, praktisch Jungfrau zu sein. Mit diesem Wichser von Albert konnte ich nichts anfangen, weil mehr als Handbetrieb nicht ging. Ich will mir schließlich nicht Aids oder Syphilis einfangen von diesen Schlampen, mit denen er ins Bett steigt, und ich bin mir sicher, dass er das tut.

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