Lauter reizende alte Damen
eine entfernte Kusine von Mrs Lancaster. Und Mrs Johnson hat auch alle Abmachungen über die Unterbringung von Mrs Lancaster im Haus Sonnenhügel mit mir getroffen. Sie hat mich gebeten, genauere Auskünfte über das Heim einzuholen. Das haben wir natürlich sehr gründlich getan. Es gilt als ausgezeichnet und bestens geführt. Meines Wissens hat Mrs Lancaster dann auch mehrere Jahre sehr zufrieden dort gelebt.«
»Sie ist aber plötzlich von dort abgereist.«
»Ja, das war wohl so. Ich glaube, Mrs Johnson ist ganz unerwartet aus Ostafrika zurückgekommen. Sie haben sich hier wieder niedergelassen und sahen sich in der Lage, ihre alte Verwandte bei sich aufzunehmen. Leider kann ich Ihnen aber nicht sagen, wo Mrs Johnson zurzeit ist. Ich habe einen Brief bekommen. Sie hat ihr Konto ausgeglichen und mir mitgeteilt, dass ich sie über ihre Bank erreichen könnte. Im Augenblick habe sie noch keinen festen Wohnsitz. – Es tut mir Leid, Mr Beresford, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann.«
Sein Tonfall ließ erkennen, dass er das Thema für beendet hielt. Etwas freundlicher fügte er hinzu: »Ich würde mir keine Gedanken machen, Mr Beresford. Mrs Lancaster ist eine sehr alte Dame und sicherlich vergesslich. Wahrscheinlich weiß sie längst nichts mehr von dem Bild.«
»Kennen Sie sie persönlich?«
»Nein. Ich habe sie nie gesehen.«
»Aber Mrs Johnson kennen Sie?«
»Sie war gelegentlich hier, als wir diese Abmachungen trafen. Sie wirkte sehr freundlich und tüchtig.« Er erhob sich. »Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann, Mr Beresford.«
Das war eine höfliche, aber sehr entschiedene Verabschiedung.
Tommy sah sich auf der Straße nach einem Taxi um. Sein Paket war zwar nicht schwer, aber doch etwas unbequem. Er betrachtete einen Augenblick das Haus, aus dem er gerade gekommen war. Alt, ehrwürdig, angesehen. Nichts war gegen die Herren Partingdale, Harns, Lockeridge und Partingdale einzuwenden. Auch gegen Mr Eccles war nichts zu sagen. Er wirkte weder erschrocken noch beunruhigt, ausweichend oder befremdet. In einem Roman, dachte Tommy, hätte er bei der Erwähnung von Mrs Lancaster oder Mrs Johnson zusammenfahren müssen, um erkennen zu lassen, dass etwas nicht in Ordnung war. Im wirklichen Leben geschieht so etwas nicht. Mr Eccles hat allenfalls wie ein Mann ausgesehen, der zu höflich ist, um zu zeigen, dass es ihm um die verschwendete Zeit Leid tut.
Trotzdem: Ich mag Mr Eccles nicht. Tommy dachte an andere Leute, die er nicht gemocht hatte. Sehr oft hatten sich diese plötzlichen Eingebungen – etwas anderes war es nie gewesen – als richtig herausgestellt. Vielleicht war es aber auch viel einfacher: Wenn man mit vielen Menschen zu tun hat, bekommt man ein Gefühl für sie, ebenso wie ein Antiquitätenhändler instinktiv eine Fälschung erkennt, ehe sie von Kunstexperten bewiesen wird.
Alles hört sich vernünftig an, dachte Tommy, er selbst wirkt vernünftig… und dennoch… Er winkte wild einem Taxi zu, das aber nur das Tempo beschleunigte und an ihm vorbeiraste. »Verdammter Kerl!«, murmelte Tommy.
Auf der Straße waren nun ziemlich viele Menschen. Manche hatten es eilig, manche bummelten; auf der anderen Straßenseite studierte ein Mann ein Firmenschild. Nach einiger Zeit drehte er sich um. Tommy riss die Augen auf. Das Gesicht kannte er! Er beobachtete, wie der Mann die Straße hinunterging, wartete, kehrtmachte und wieder zurückkam. Jemand verließ hinter Tommys Rücken das Haus. Und in diesem Augenblick beschleunigte der Mann auf der anderen Straßenseite das Tempo und hielt Schritt mit dem Mann, der aus der Tür der Herren Partingdale, Harns, Lockeridge und Partingdale gekommen war. Tommy stellte mit einem Blick auf die sich entfernende Gestalt fest, dass es zweifellos Mr Eccles war. Im selben Augenblick rollte in gemächlicher Fahrt ein Taxi heran. Tommy hob die Hand. Das Taxi hielt.
Tommy zögerte, betrachtete sein Paket und fasste einen raschen Entschluss. »Lyon Street, Nummer 14.«
Nach einer Viertelstunde hatte er sein Ziel erreicht. Er klingelte und fragte nach Mr Ivor Smith. Als er dann ein Zimmer im zweiten Stock betrat, fuhr der Mann, der an einem Tisch am Fenster saß, plötzlich herum und sagte leicht erstaunt: »Hallo, Tommy. Dass du dich mal wieder sehen lässt! Was tust du? Machst du Besuche bei deinen alten Freunden?«
»Nein, ganz so edel ist die Absicht nicht, Ivor.« Tommy setzte sich auf den Stuhl, der ihm zugeschoben wurde, nahm eine Zigarette und
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