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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Alle bekamen lange Zuchthausstrafen, waren aber nach anderthalb Jahren wieder draußen. Ihre Flucht war glänzend vorbereitet worden.«
    »Ich erinnere mich, davon gelesen zu haben.«
    »Wir glauben, dass der Mann, der hinter dieser Organisation steckt, erkannt hat, dass es ein Fehler war, ein bestimmtes Haus so lange zu behalten, bis es bei den Nachbarn Verdacht erweckte. Man kam auf die Idee, dass es besser wäre, Mittelsleute in etwa dreißig Häusern, in ve r schiedenen Gegenden zu installieren. Sagen wir, eine Mutter mit Tochter sucht ein Haus oder eine Witwe oder ein pensionierter Beamter mit Frau. Lauter angenehme, stille Menschen. Sie lassen ein paar Reparaturen machen; und dann, nach ein oder zwei Jahren ändern sich ihre Lebensumstände. Sie verkaufen das Haus und ziehen ins Ausland. Während sie dort wohnten, hat das Haus sehr merkwürdigen Zwecken gedient. Aber niemand hat Verdacht geschöpft. Innerhalb von sechs Monaten hat es vielleicht fünf größere Einbrüche gegeben, aber die jeweilige Beute ist nicht in einem Haus untergebracht oder versteckt worden, sondern in fünf Häusern in fünf verschiedenen Grafschaften. Das ist natürlich nur eine Mutmaßung, Tommy, aber wir befassen uns damit. Und nehmen wir nun an, deine alte Dame verschenkt das Bild eines Hauses; und gerade dieses Haus ist wichtig. Und nehmen wir weiterhin an, dass es das Haus ist, das deine Frau wiedererkannt hat und das sie sucht, um es sich genauer anzusehen. Wenn es nun jemandem nicht passt, dass das Haus genauer angesehen wird… Es könnte was dran sein!«
    »Es ist sehr weit hergeholt…«
    »Ja, das gebe ich zu. Aber in unserer Zeit geschehen nun einmal unglaubliche – und sehr weit hergeholte – Dinge.«
     
    Ziemlich müde stieg Tommy zum vierten Mal an diesem Tag aus einem Taxi. Er betrachtete mit Wohlgefallen die kleine Sackgasse in Hampstead Heath. Kein Haus glich dem anderen, und das, vor dem er stand, hatte einen großen Atelierraum mit Deckenfenster, an den – wie ein Auswuchs – an einer Seite drei kleinere Räume angeklebt zu sein schienen. Tommy öffnete das Gartentor, ging zum Haus und arbeitete mit dem Türklopfer, weil er keine Klingel fand. Es rührte sich nichts. Er wartete eine Weile und hämmerte diesmal etwas lauter.
    Die Tür wurde so plötzlich aufgerissen, dass er fast nach hinten fiel. Eine Frau stand auf der Schwelle. Auf den ersten Blick hatte Tommy das Gefühl, selten eine so unscheinbare Frau gesehen zu haben. Sie hatte ein großes, flaches Pfannkuchengesicht, große Kuhaugen, von denen eins grün und eins braun war, und über die breite Stirn fiel eine wilde Haarmähne. Sie trug einen lila Kittel mit Lehmflecken. Dann fiel ihm auf, dass die Hand, die die Tür hielt, ganz ungewöhnlich schön geformt war.
    »Oh«, sagte sie mit einer tiefen, angenehmen Stimme. »Was wünschen Sie? Ich habe keine Zeit.«
    »Mrs Boscowan?«
    »Ja. Was ist?«
    »Mein Name ist Beresford. Ich würde sehr gern einen Augenblick mit Ihnen sprechen.«
    »Muss das sein? Ich weiß nicht… Um was geht es? Um ein Bild?« Ihre Blicke ruhten auf dem Paket unter seinem Arm.
    »Ja. Es geht um ein Bild Ihres Mannes.«
    »Wollen Sie es verkaufen? Ich habe genug Bilder von ihm. Ich brauche sie nicht zu kaufen. Wenden Sie sich doch an eine Galerie. – Aber Sie sehen nicht so aus, als ob Sie es nötig hätten, Bilder zu verkaufen.«
    »Nein, ich will auch kein Bild verkaufen.« Tommy fand es sehr schwierig, mit dieser Frau in ein Gespräch zu kommen. Ihre Augen, wenn auch verschiedenfarbig, waren sehr schön. Und gerade jetzt blickten sie über seine Schulter, als sähen sie am Ende der Straße, in der Ferne, etwas sehr Interessantes.
    »Bitte«, sagte Tommy, »darf ich ins Haus kommen? Es ist so schwer zu erklären…«
    »Wenn Sie Maler sind, möchte ich nicht mit Ihnen reden«, sagte Mrs Boscowan. »Maler langweilen mich immer sehr.«
    »Ich bin kein Maler.«
    »Sie sehen auch nicht so aus.« Ihre Augen glitten prüfend auf und ab. »Sie sehen wie ein Beamter aus«, stellte sie abfällig fest.
    »Darf ich hineinkommen, Mrs Boscowan?«
    »Ich weiß noch nicht. Warten Sie.«
    Sie machte plötzlich die Tür zu. Tommy wartete. Nachdem vielleicht vier Minuten verstrichen waren, öffnete sich die Tür wieder. »Gut«, sagte sie, »kommen Sie herein.«
    Sie führte ihn über eine schmale Treppe in das große Atelier. In einer Ecke stand eine große Figur. Werkzeug lag herum, und ein Tonkopf war aufgebaut. Der Raum sah aus, als hätten

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