Lauter reizende alte Damen
die Vandalen in ihm gehaust. »Hier ist nie Platz zum Sitzen«, beklagte sich Mrs Boscowan. Sie räumte einen Holzstuhl für Tommy frei. »Nehmen Sie den, setzen Sie sich und reden Sie!«
»Es ist sehr freundlich, dass Sie mich hereingelassen haben.«
»Ja, das ist wahr. Aber Sie machen sich doch über etwas Sorgen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Das dachte ich mir. Über was?«
»Über meine Frau«, sagte Tommy und überraschte sich mit dieser Antwort selbst.
»Das ist nichts Besonderes. Männer machen sich immer Sorgen um ihre Frauen. Was ist mit ihr? Ist sie durchgebrannt?«
»Nein, nein. Das nicht.«
»Stirbt sie? Hat sie Krebs?«
»Nein«, sagte Tommy. »Aber ich weiß nicht, wo sie ist.«
»Und Sie glauben, ich könnte es wissen? Dann sollten Sie mir ihren Namen sagen und mir etwas von ihr erzählen.«
»Gott sei Dank!«, sagte Tommy. »Ich dachte, es würde viel schwieriger sein, mit Ihnen zu reden.«
»Was hat das Bild damit zu tun? Es ist doch ein Bild?«
Tommy packte es aus. »Es ist ein Bild, das Ihr Mann signiert hat. Ich möchte gern alles wissen, was Sie mir darüber sagen können.«
»Aha. Und was wollen Sie nun wissen?«
»Wann es gemalt worden ist und wo.«
Mrs Boscowan sah ihn zum ersten Mal mit einer Spur von Interesse an. »Das kann ich Ihnen sagen. Es ist etwa fünfzehn Jahre alt, nein, noch älter. Es ist ein ziemlich frühes Bild von ihm. Ich schätze, es ist zwanzig Jahre alt.«
»Und wissen Sie, wo es ist? Wo das Haus ist, meine ich?«
»O ja, ich kann mich genau erinnern. Es ist ein gutes Bild, ich mochte es immer schon. Das ist die kleine Bogenbrücke. Und das Haus. Das nächste Dorf heißt Sutton Chancellor. Es ist sieben oder acht Meilen von Market Basing entfernt.«
Sie trat dicht an das Bild heran, beugte sich darüber und betrachtete es aus der Nähe. »Komisch«, murmelte sie, »das ist merkwürdig. Ich möchte ja nur wissen…«
Tommy achtete nicht auf sie. »Wie heißt das Haus?«, fragte er.
»Ich erinnere mich nicht mehr. Es ist mehrmals umbenannt worden. Ich weiß auch nicht mehr, was mit dem Haus war. Ich glaube, es gab da irgendwelche tragischen Geschichten. Und die neuen Besitzer gaben ihm einen anderen Namen. Kanalhaus oder so ähnlich. Früher hieß es Brückenhaus, dann Flusswiese, glaube ich.«
»Und wer hat dort gewohnt oder wohnt jetzt dort? Wissen Sie das?«
»Niemand, den ich kenne. Als ich zum ersten Mal da war, haben ein Mädchen und ein Mann dort gewohnt. Sie kamen nur zum Wochenende. Sie war Tänzerin oder Schauspielerin. Sehr schön, aber dumm. Fast unterbelichtet. William hatte eine Schwäche für sie, das weiß ich noch.«
»Hat er sie gemalt?«
»Nein. Er hat fast nie Porträts gemalt. Aber er hatte eine Vorliebe für kleine Mädchen.«
»Diese Leute also wohnten dort, als Ihr Mann das Haus malte?«
»Anfangs wenigstens. Dann hat es irgendeinen Krach gegeben, und er ist fortgegangen und hat sie sitzen lassen oder umgekehrt. Ich war damals nicht dabei. Danach war dann wohl nur noch eine Gouvernante mit dem Kind im Haus. Ich weiß nicht, wem die Kleine gehörte und wo sie herkam, aber die Gouvernante hat sich um sie gekümmert. Und dann ist, meine ich, mit dem Kind etwas gewesen. Entweder ist die Gouvernante mit ihm fortgezogen, oder es ist gestorben. Aber was wollen Sie über Leute wissen, die vor zwanzig Jahren in diesem Haus gelebt haben?«
»Ich möchte soviel wie möglich über das Haus erfahren«, sagte Tommy. »Es ist nämlich so, dass meine Frau fortgefahren ist, um das Haus zu suchen. Sie behauptet, es von einem Zugfenster aus gesehen zu haben.«
»Das stimmt«, sagte Mrs Boscowan, »die Schienen sind auf der anderen Seite der Brücke. Man muss das Haus von der Bahn aus sehr gut sehen können. Aber warum wollte sie das Haus wiederfinden?«
Tommy gab ihr einen stark gekürzten Bericht. Sie maß ihn mit einem zweifelnden Blick.
»Sie kommen nicht zufällig aus einer Nervenklinik? Sie haben nicht zufällig Urlaub auf Ehrenwort oder wie man das nennt?«
»Ich kann mir vorstellen, dass sich das so anhört«, gab Tommy zu. »Aber es ist wirklich ganz einfach. Ich vermute, dass meine Frau das Haus gefunden hat. Vielleicht ist sie zu diesem – wie hieß es noch – Chancellor gefahren. – Auf jeden Fall hat sie angerufen und gesagt, sie käme nach Hause, aber sie ist nicht gekommen. Und ich nehme nun an, dass sie etwas über das Haus erfahren wollte und vielleicht – in eine gefährliche Situation geraten ist.«
»Was sollte daran
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