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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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würde. Es muß also Gründe geben, die ihn hindern, die Zeus und all die anderen Fernkampfmittel, über die sein Land verfügt, mit ins Kalkül zu ziehen.
    »Die Zeus wird uns unterstützen«, sagt jemand hinter mir. »Mindestens die Zeus, wenn nicht auch…«
    »Die Zeus?« fragt der Commander gedehnt. Seine Kombination knistert, als er sich im Sessel bewegt. »Die Zeus wird das von uns überflogene und zerstörte Territorium knapp eine Stunde später passieren. Jeweils eine Stunde später. Korrigieren Sie mich jetzt bloß nicht, Graves! Vielleicht werden sie auch ein wenig Nachlese halten, die Automaten der Zeus. Oder später, nachdem es uns erwischt hat, unser Werk fortsetzen. Wenn sie das können. Aber direkt unterstützen werden sie uns nicht. An diesen Gedanken solltet ihr euch gewöhnen.«
    Aus seinen Worten ist deutlich eine gewisse Ratlosigkeit herauszuhören. Oder gar eine Spur von Verzweiflung. Zumindest aber die tiefgehende Besorgnis eines Menschen, der sich einer ebenso unlösbaren wie unvermeidlichen Aufgabe gegenübersieht. Der erkannt hat, daß er, beweist er Loyalität, höchstens noch zwei Tage leben wird.
    Mag sein, daß seine Überlegungen längst nicht so weit gehen, wie ich es ihm unterstelle, vielleicht opfert er sich und uns freudigen Herzens, weil er glaubt, dieses Opfer sei notwendig, oder weil er hofft, auf diese Weise doch noch zum Helden werden zu können. Aber all dieses Hoffen und Wollen kann ja nicht verhindern, daß er dem eigenen Untergang mit Grausen entgegensieht. Selbst in Menschen wie ihm ist immer noch ein Rest animalischen Selbsterhaltungstriebes vorhanden.
    »Wenn der Präsident den Angriff befiehlt, dann wird er ihn in derselben Sekunde auch allen anderen Fernkampfeinheiten erteilen. Nicht nur uns. Denn der Einsatz allein unserer Station wäre ein sinnloses Opfer an Menschen und Material. Das wird er nicht wollen, unser Präsident.«
    Ich glaube Newmans Stimme erkannt zu haben, aber ganz sicher bin ich mir dessen nicht. Die Worte klangen gepreßt und nicht sehr deutlich.
    Wieder knistert der Skaphander des Commanders. »Hoffen wir es!« sagt Glenn Morris, und ich, der ich ihn kenne, besser sicherlich, als alle anderen hier an Bord ihn kennen, kann hören, daß er dieser Hoffnung nicht traut, daß sie für ihn eigentlich nicht existiert.
    Danach ist lange nichts als ein tiefes Schweigen, in dem nur die elektronischen Apparate summen, die Ortungsgeräte leise zirpen und manchmal eine Blende klickt.
    Ich glaube nicht, daß die anderen bereits begriffen haben, was sie erwartet, sonst hätten sie über das, was da auf uns zukommt, nicht geredet, als handle es sich um die Besteigung eines Berges in der Sierra Nevada und nicht um das Leben von Millionen Menschen. Nun ja, für sie ist das Leben anderer nicht besonders wichtig. Und wenn sie sich doch hin und wieder Gedanken machen, dann nur über das eigene.
    Vielleicht aber sind auch schon Spuren der Erkenntnis in den einen oder anderen eingedrungen, und sie haben so geredet, weil sie sich vor dem Überfall der eigenen Gedanken fürchten, weil Nachdenken sie am Ende doch auf den Kern des Entsetzens bringen müßte. Jetzt, da sie schweigen, werden sie sich ihm nähern, mehr und mehr, bis sie ihn in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit erfassen werden. Denn es geht längst nicht mehr nur um das Leben der anderen, es geht vor allem um ihr eigenes.
    So, wie es damals um das Leben von zwölf Piloten ging, die ausgeschickt worden waren, um die Augen der Öffentlichkeit und das Feuer der Gegner auf sich zu lenken. Zehn Tote! Keiner von den Vermißten war zurückgekehrt. Diesmal werden es mehr Tote sein.
    Erstaunlich, wie wenig mich dieser Gedanke stört. Heute fühle ich mich viel weiter von ihnen entfernt als damals, als ich sie Kameraden nannte. Nein, meine Kameraden sind tot oder übergelaufen auf die andere Seite. Bergerson und Dora. Ach, Dora! Wie gut ich sie verstehen kann.
    Diese hier aber kümmern mich nicht. Mögen sie verbrennen.
    Und ich? Nun, ich werde bei ihnen sein, wenn es zu Ende geht. Auch ich werde ein Opfer sein. Doch, gemessen an der Zahl der Überlebenden, ein unbedeutend kleines.
    Sie sind die Kaninchen, von denen Glenn Morris sprach, die Ratten, denen man beigebracht hat, ihre ureigenste Lebenssphäre zu hassen. Ich werde sie töten, bevor sie imstande sind, andere zu töten.
     
    Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man überdeutlich zu spüren vermag, wie in einem tiefen Schweigen langsam Erkenntnisse heranreifen.

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