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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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hinauf, denn der Pfahl schien einen Tunnel in den Dunst gebohrt zu haben. Und sie beobachteten, daß die Wolken und die Vögel von diesem Tunnel mit geheimnisvollen Kräften angezogen wurden. »Flieg weg!« schrie Sandy. »Flieg weg, stolzer Adler!«
    Sturm kam auf. Er blies aus der Tiefe der Klippen mit immer größerer Heftigkeit herauf, riß an ihren Haaren und an ihrer Kleidung und war bald so stark, daß sie fürchten mußten, in die Höhe getragen zu werden.
    Sie suchten Schutz unter einem überhängenden Felsen, und Philipp sah im Rennen, wie der Adler, obgleich er sich mit mächtigen Flügelschlägen zur Wehr setzte, in den Sog der Säule geriet, immer höher und höher getragen wurde und schließlich als glühender Funke in der ringförmigen Öffnung zwischen Wolken und Licht verschwand. Danach war der Himmel wie leer gefegt, denn seine Gegner waren bereits Minuten vor ihm verglüht.

    Die Säule verlosch ebenso unvermittelt, wie sie entstanden war. Kurz bevor sie verschwand, wandelte sich das röhrende Geräusch zu einem überlauten Zischen, wie es, wenn auch viel leiser, für einen Lichtbogen, etwa beim Elektroschweißen, typisch ist. Als sie erloschen war, flaute der Sturm schnell ab, die Wolken schlossen sich wieder, und es begann zu regnen. Lauwarmer Regen im kalten Ostwind einer Oktobernacht.
     
    Am anderen Morgen berichtete er Pa von dem Ereignis. Pas Reaktion war sehr ungewöhnlich. Zuerst schien er zu erstarren. Dann, nach einer langen Sekunde absoluter Bewegungslosigkeit, lief er mehrmals schnell durch die kleine Kammer, die Hände öffnend und schließend. Endlich blieb er mitten im Raum stehen und blickte zu den Wasserflecken an der niedrigen Decke hinauf.
    »Mein Gott!« stöhnte er. »Haben sie es endlich geschafft. Nichts ist ihnen wahnsinnig genug, um es nicht auszuprobieren.« Er wandte sich Ma und Philipp zu. Sein Gesicht war jetzt ganz ruhig. Nur seine Brust hob und senkte sich in schnellen Atemzügen. »Wenn es ihn gibt«, flüsterte er und deutete mit dem Daumen zu den Wasserflecken hinauf, »wenn es ihn denn wirklich gibt, dann, verdammt noch mal, muß er sich wohl lustig machen über uns. Wie könnte er das sonst zulassen?«
    Soweit Philipp sich erinnerte, hatte Pa nie von Gott gesprochen. Was nicht ausschloß, daß er an ihn glaubte. Doch wenn, dann mit der naiven Gläubigkeit eines Kindes, wie man an einen fernen, guten oder bösen, auf alle Fälle aber steinreichen Onkel denkt, der irgendwann auftauchen und Glück oder Unglück über einen bringen kann.
    »Setzt euch und hört mir zu«, sagte Pa und zog sich einen Stuhl an den Tisch.
    Er besann sich eine Weile. Dann begann er langsam und jedes Wort abwägend zu sprechen: »Sie haben das Mittel geschaffen, das die Welt vernichten wird. Aus dem Kosmos heraus werden sie alles Leben auf der Erde auslöschen. Mit einem einzigen Fingerschnippen, wenn sie wollen. Sie glauben, sie selbst würden es überleben. Aber sie irren sich, wie sie sich immer geirrt haben. Niemand wird diesen letzten, großen Krieg überstehen, niemand. Denn selbst wenn es ihnen gelänge, sich vor dem Inferno zu verbergen, wovon sollten sie danach leben, und wie sollten sie existieren? Auf einer Erde, die verseucht ist von Strahlen und künstlichen Krankheiten, die Hitze ausstrahlt wie ein gigantischer Backofen und auf der die ewige Finsternis angebrochen ist. Sie würden jämmerlich krepieren, jämmerlicher als wir, langsam verhungernd und verdorrend in der Hitze um sie her und bedeckt mit schwärenden Wunden. Und an jedem Tag, der wird und den sie doch nicht sehen könnten, würden sie ihr Unglück, am Leben geblieben zu sein, hundertmal verfluchen.«
    Wieder schwieg er eine Weile. Als er später seinen Faden wieder aufnahm, klang es wie ein Selbstgespräch: »Es wäre der Gipfel der Unvernunft, setzte jemand in dieser Situation ein Kind in die Welt, glatter Irrsinn wäre das.« Dann blickte er auf und fixierte Philipp. »Hast du das begriffen, mein Junge?«
    »Selbstverständlich, Pa. Aber ich…«
    »Man sieht dich jetzt sehr oft mit Sandy Pherson, Junge. Ihr werdet nicht nur Sterne zählen oder Laserstafetten beobachten, denke ich. Du solltest dir meine Worte zu Herzen nehmen.«
    »Ja, Pa.«
    Er redete noch ziemlich lange. Und wie bei allem, was er in letzter Zeit erklärte, bestand seine Rede fast ausschließlich in der Darlegung absoluter Zustände. Er sah nur Extreme. Und diese Waffe, von der er da erfahren hatte, war nach seinem Empfinden die Waffe an

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