Lautlose Jagd
und lassen die Regimenter sofort ihre... ihre S-1-Stellungen beziehen.«
Der Sergeant wurde blass, nickte jedoch schweigend und ging in die Nachrichtenzentrale zurück. Dies war der Befehl, von dem er immer gewusst hatte, dass er ihn eines Tages würde übermitteln müssen - der Befehl, vor dem er immer große Angst gehabt hatte.
Der Befehl zur Verlegung in S-1-Stellungen bedeutete einen Angriff fast aus dem Stand. Alle 240 FROG-, Scud- und Nodong-Raketen der Division waren bis zu einem gewissen Grad beweglich. Die Raketen der Baumuster FROG und Scud wurden von Rad- oder Kettenfahrzeugen auf Straßen transportiert; die Nodong 1 war für den Schienentransport ausgelegt und wurde in Waggons transportiert, die normalen gedeckten Güterwagen glichen. Im Verteidigungsfall sollten die Raketen Heereseinheiten im ganzen Land zugeteilt werden. Normalerweise würde die Vierte Artilleriedivision sie auf Anforderung Heereseinheiten unterstellen, deren Kommandeure dann über ihren Einsatz entscheiden und den Abschussbefehl erteilen würden. Tatsächlich war ein Drittel ihrer Raketen schon jetzt bei Infanterie- und Panzerbrigaden stationiert, von denen die meisten in einem 100 Kilometer breiten Streifen hinter der entmilitarisierten Zone für einen Vorstoß nach Süden bereitstanden.
Für den Fall eines feindlichen Überraschungsangriffs sah Oberst Chos Planung jedoch vor, die in Sunan verbliebenen Raketen rasch in bereits vermessene Feuerstellungen zu verlegen, wodurch er praktisch ein Truppenkommandeur wurde, der über massive Feuerkraft verfügen konnte. Die S-1-Weisung beorderte alle Raketenbatterien in zuvor festgelegte Stellungen, die zwischen drei und 50 Kilometer entfernt waren, und ließ sie dort Feuerbereitschaft herstellen. Die auf geländegängigen Radfahrzeugen transportierten Raketen FROG 7 und Scud B waren am beweglichsten und wurden daher am weitesten entfernt eingesetzt. Die älteren FROG 5 auf ihren Kettenfahrzeugen waren viel langsamer, deshalb lagen ihre Feuerstellungen fast alle innerhalb des Stützpunkts. Die Verlegung der ballistischen Raketen Nodong 1 mit Kernsprengköpfen erforderte stundenlange Vorbereitungen, aber dann konnten sie übers ganze Land verteilt werden. Durch Vermengung mit dem normalen Güterverkehr entstand eine Art »Hütchenspiel«, das den Feind verwirrte und die Vernichtung dieser Raketen durch Überraschungsangriffe unwahrscheinlich machte. Die S-1-Weisung war ein letzter verzweifelter Versuch, Chos wertvollen Raketenbatterien eine Überlebenschance und vielleicht sogar Gelegenheit zu einem Gegenschlag zu verschaffen.
Hauptmann Kong nahm seinen Platz am Schreibtisch des Offiziers vom Dienst ein und legte die Klarlisten für die S-1-Weisung und die Alarmierung des Gefechtsstabs der Division bereit.
Er arbeitete rasch und effizient, was auf langjährige Ausbildung und unzählige Stabsrahmenübungen zurückzuführen war, aber sein Herz hämmerte in seiner Brust. Dies war keine Übung, das wusste er. Irgendetwas oder irgendjemand hatte ihre Verbindungen zur Außenwelt gekappt, und sein Kommandeur hatte der Division soeben befohlen, Angriffsbereitschaft herzustellen.
Dafür war Kong ausgebildet. Jetzt stand das Unvermeidliche bevor: der Kampf zwischen Gut und Böse, bei dem die Welt zerstört wurde, um als neue, friedliche Welt aufzuerstehen. Das kapitalistische System im Süden war korrupt, seine Führer waren Marionetten der Amerikaner. Die Amerikaner förderten den Nord-Süd-Konflikt, weil sie fürchteten, ein wieder vereinigtes Korea werde sich von ihnen abwenden. Eine friedliche Wiedervereinigung war theoretisch möglich, aber die Amerikaner wollten ihre Militärmacht einsetzen, weil ihre korrupte Regierung, die von dem geldgierigen militärisch-industriellen Komplex gestützt wurde, dies wünschte. Solange Amerikaner auf koreanischem Boden standen, war ein Krieg unvermeidlich. Alle Ausländer mussten von der Halbinsel vertrieben werden, damit eine Wiedervereinigung unter kommunistischer Führung möglich wurde.
Sieger in diesem Kampf würde sein, wer den ersten Schlag führte. Und mit ihrer Alarmierung war die Vierte Artilleriedivision jetzt im Begriff, sich diesen unsterblichen Ruhm an ihre Fahnen zu heften.
Kong schlug seine Klarlisten auf, begann zu telefonieren, aktivierte das Rückrufsystem der Division und setzte die Mobilmachung in Gang. Noch ein paar Anrufe, dann würde alles richtig in Fahrt kommen und wie eine führerlose Lokomotive allein weiterrollen. Dann würde
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