Lautlose Jagd
»Unglaublich, aber wahr: Südkorea ist in Nordkorea eingefallen. Und das ohne massive Invasionsstreitmacht. Der Süden scheint im Norden seit Monaten, vielleicht schon seit Jahren Propaganda gemacht und Wühlarbeit betrieben zu haben. Als er jetzt angegriffen hat, war das Verteidigungssystem des Nordens schon zum größten Teil lahm gelegt. Die Zivilisten, die nicht eilig nach Süden unterwegs sind, marschieren auf Pjöngjang, um die Hauptstadt zu besetzen. Der Süden scheint in Nordkorea eine Revolution angezettelt zu haben, die nicht vom Militär ausgeht.«
»Jesus!«, rief Patrick aus. »Das hätte ich nie erwartet. Ich dachte immer, Nordkorea sei eine monolithische, ultramarxistische Diktatur, ein Großer-Bruder-Überwachungsstaat. Wer hätte gedacht, dass der Süden mit einer so raffinierten Methode Erfolg haben würde?«
»Meines Wissens wäre Nordkorea in nächster Zeit ohnehin unter der Last von zwei Millionen Verhungernden zusammengebrochen«, antwortete Dave. »Aber jetzt kommt die eigentliche Nachricht, Muck: Der Norden hat Nodong- und Scud-Raketen auf den Süden abgeschossen. Es hat ungefähr ein Dutzend Angriffe mit ballistischen Raketen gegeben.«
»Auch mit ABC-Waffen?«
»Ich rede nur von ABC-Waffen«, sagte Luger ernst. »Die Patriots haben die meisten runtergeholt, aber ein paar Nuklearsprengköpfe und etliche biologische und chemische Waffen sind durchgekommen. Der Süden ist längst nicht so schwer getroffen worden, wie alle vorausgesagt haben, aber er hat ziemlich was abgekriegt.«
»O Gott«, murmelte Patrick. Er dachte an die schrecklichen Verluste, die es gegeben haben musste, an die drei eher kleinen, aber gefährlich bedeutsamen Atomwaffeneinsätze in den vergangenen fünf Jahren, und an die Veränderungen, die in der Welt vorgingen, während sein kleiner Sohn aufwuchs...
... aber vor allem dachte er an Lancelot, sein für die B-1B maßgeschneidertes Raketenabwehrsystem. Falls Asien kurz davor war, in einen großen Krieg, vielleicht sogar einen Atomkrieg verwickelt zu werden, konnten seine Abwurflenkwaffen zur Raketenbekämpfung eine Geheimwaffe zur Verteidigung der amerikanischen Interessen im Krisengebiet sein.
Dachte er heutzutage mehr und mehr wie Brad Elliott? Hatte Brad seiner Karriere geschadet und sich zuletzt selbst vernichtet, weil er von dem Gedanken besessen gewesen war, ohne Rücksicht auf Verluste gegen jede Weltkrise ein Mittel entwickeln zu müssen? Patrick schüttelte diese Gedanken ab. Das waren Fragen, die er zu anderer Zeit, an einem anderen Ort, vielleicht mit einem Therapeuten, mit seiner Frau Wendy und einem Glas Banffshire Balvenie in einem heißen Bad erörtern würde. Im Augenblick musste er seinen Plan in die Tat umsetzen.
»Dave, ich habe hier die beiden ersten Lancelot-Einheiten getestet. Jetzt möchte ich so bald wie möglich mit Earthmover reden«, sagte Patrick. »Earthmover« war das Rufzeichen des HAWC-Kommandeurs General Terrill Samson.
»Wird veranlasst«, bestätigte Luger. »Brichst du die Einsatz-Zertifizierung jetzt ab?«
Patrick überlegte einen Augenblick, dann antwortete er: »Du rufst in Tonopah an und sagst, dass die Staffel auf eine neuerliche Verlegung vorbereitet sein soll. In sechs Stunden lässt du sie am Groom Lake landen.«
»Was?«, rief Luger aus. »Du willst die Staffel in Dreamland haben?«
»Amarillo, ich bin der festen Überzeugung, dass Lancelot genehmigt werden wird«, sagte Patrick. »Soviel der General uns mitgeteilt hat, wird die 111th Bomb Squadron aufgelöst und verliert ihre Bomber, sobald ihr heutiges Rowdytum auf dem Dienstweg bekannt wird, wie sie sich heute aufgeführt hat. Nun, was man in Besitz hat, gehört einem schon zu vier Fünfteln. Ich kann mir diese B-1B schnappen, und ich nehme sie nach Dreamland mit. Du sagst, dass zwei Umrüstsätze einbaufertig und zwei weitere unterwegs sind - also fangen wir heute Abend mit dem Einbau an. Du lässt den Hangar Foxtrott für sieben Lancer räumen, kümmerst dich um Unterkünfte für die Besatzungen und verständigst unsere Techniker, dass sie sofort mit dem Einbau von Lancelot beginnen sollen.«
»Ist gebongt, Muck«, sagte Dave Luger eifrig. »Ich klemme mich gleich dahinter. Die Landeerlaubnis müsste binnen einer Stunde zu bekommen sein. Verdammt, das wird spannend! Heute Abend kriegen wir einen Tritt in den Hintern oder sind stolze Besitzer einer Bomberstaffel. Firebird Ende.«
Patrick schaltete wieder auf die Bordsprechanlage um und drückte seine
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