Lautlose Jagd
keine Massenvernichtungswaffen behalten. Ich glaube, dass wir von China nichts zu befürchten haben, es sei denn wir behalten diese Waffen.«
Da General Kim spürte, dass die Stimmung sich gegen ihn wendete, sagte er rasch: »Ich gebe zu, dass man so argumentieren kann, Herr Präsident. Der Besitz von Atomwaffen wird auf die wiedervereinte Nation zweifellos ein neues, beunruhigendes Licht werfen. Aber ich bin der Überzeugung, dass sie unser bestes, vielleicht unser einziges Abschreckungsmittel gegen chinesische Aggressionen sind.
Ich schlage Folgendes vor, Herr Präsident: Wir gebrauchen diese Waffen nicht als Massenvernichtungsmittel, sondern als Faustpfand für Verhandlungen. Wir zwingen China dazu, seine Unterstützung für Kim Jong-il und die nordkoreanische Exilregierung aufzugeben, damit wir auf die At omwaffen verzichten.
Oder wir verzichten auf sie, wenn China sich bereit erklärt, seine Truppen aus einem dreihundert Kilometer breiten Streifen entlang unserer gemeinsamen Grenze zurückzuziehen. Oder wir fordern sogar beides. Aber wir sollten nicht einmal andeuten, dass wir bereit sein könnten, diese Waffen irgendjemandem zu übergeben - auch den Vereinigten Staaten gegenüber nicht.«
»Ich glaube, das wäre eine sehr gute Marschroute«, stimmte Ministerpräsident Lee rasch zu. Er war dankbar für diese Option, die es ihm ersparte, dem mächtigen ehemaligen General weiter widersprechen zu müssen.
Präsident Kwon dachte kurz nach, dann nickte er. »Meine Herrn, ich danke Ihnen für Ihre offenen Meinungsäußerungen.
Sie sind wirklich alle wahre Patrioten.« Er drückte auf einen Knopf seines Telefons und setzte die Videokonferenz mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten fort.
»Was macht Ihnen dabei Sorgen, Mr. President?«, fragte Kwon, als der Amerikaner wieder auf dem Bildschirm erschien. »Was macht Staatspräsident Jiang Sorgen?«
»Was uns Sorgen macht?« Martindale starrte den Koreaner überrascht an. »Präsident Kwon, wir wissen alle, dass China die Existenz von Massenvernichtungswaffen an seinen Grenzen oder auch nur in ihrer Nähe als Bedrohung seiner Souveränität und nationalen Sicherheit auffasst. Die Vereinigten Staaten und die ehemalige Republik Korea haben der Besorgnis Chinas Rechnung getragen und seit über zwanzig Jahren keine ABC-Waffen mehr auf der koreanischen Halbinsel stationiert. Behalten Sie die aufgespürten und beschlagnahmten Waffen, sieht China darin zweifellos eine Bedrohung.«
»Präsident Martindale«, sagte Kwon, »ich halte es für äußert unpassend, dass Sie sich deswegen Sorgen machen.«
»Was? Wie meinen Sie das?«
»Angesichts unserer jüngsten Entdeckungen, Sir, steht unwiderlegbar fest, dass auf koreanischem Boden seit vielen Jahren Massenvernichtungswaffen stationiert waren«, antwortete Kwon. »Die Welt hat von den B- und C-Waffen Nordkoreas gewusst, und jetzt sehen wir, dass dort auch viele Atomwaffen stationiert waren. Weshalb sollten wir darüber besorgt sein, dass es China nicht gefällt, dass wir jetzt genau die Waffen besitzen, die es vermutlich selbst auf koreanischem Boden stationiert hat?«
»Der Unterschied ist, Sir, dass Nordkorea und vor allem China die Verfügungsgewalt über diese Waffen hatten - was jetzt nicht mehr der Fall ist«, stellte Martindale fest. »Ich verstehe Ihre Argumentation, Herr Präsident. Tatsache ist jedoch, dass China sehr besorgt ist, weil Sie diese Waffen an sich gebracht und bisher nicht zu erkennen gegeben haben, was Sie damit vorhaben. China hat sich bisher zum Glück aus den Vorgängen in Korea herausgehalten, weil es wie der Rest der Welt eingesehen hat, dass dies eine innere Angelegenheit des koreanischen Volkes ist. Als die demokratischen Kräfte die Oberhand gewannen und klar wurde, dass die Nordkoreaner in die neue Vereinigte Republik Korea integriert würden, hat China jegliche Einmischung vermieden und sich durch einen raschen Truppenabzug sehr kooperationsbereit gezeigt.«
»Wir haben alles gehalten, was wir versprochen hatten«, stellte Kwon fest. »Wir sind wieder ein Volk. Das kann niemand leugnen.«
»Präsident Kwon, ich weiß nicht, ob Sie den Ernst der Lage richtig verstehen. Halten die Chinesen es für möglich, dass Sie diese ABC-Waffen auf China richten, sind sie vielleicht weniger kooperationsbereit«, warnte Martindale den Koreaner. »Sie könnten sogar richtig böse werden. Sie haben fast eine Viertelmillion Soldaten an Ihrer Nordgrenze stationiert und können binnen sieben Tagen
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