Lautlose Jagd
solche Gefechtsköpfe mitsamt den dazugehörigen Trägersystemen weltweit gegen harte Devisen verhökert haben. Die nordkoreanische Zahlungsbilanz enthält viele Hinweise auf solche Transaktionen.«
Kwon äußerte sich nicht dazu.
»Herr Präsident, ich habe mit chinesischen Regierungsvertretern gesprochen«, fuhr Martindale fort. »China macht sich Sorgen darüber, was Sie mit diesen Atomwaffen zu tun beabsichtigen.
Die Bestände müssen riesig sein - während Nordkoreas B- und C-Waffenpotential recht gut dokumentiert war, erkennen wir jetzt, dass es weit mehr Atomwaffen besessen haben muss, als wir jemals vermutet hatten.«
Kwon sagte noch immer nichts. Er starrte direkt in die Kamera und hatte ein liebenswürdiges kleines Lächeln aufgesetzt, als warte er auf die Pointe eines Witzes.
»Präsident Kwon? Können Sie mich hören, Sir?«
»Natürlich, Mr. President«, bestätigte Kwon.
»Ich frage Sie, Sir - was haben Sie mit den in Ihren Besitz gelangten Atomwaffen vor?«
Im Blauen Haus in Seoul war Präsident Kwon Ki-chae von seinen Sicherheitsberatern umgeben, die alle außerhalb des Blickfelds der Videokamera saßen: Verteidigungsminister General a.D. Kim Kun-mo, Ministerpräsident Lee Kyong-sik, Außenminister Kang No-myong, Direktor für Nationale Sicherheitsplanung Lee Ung-pae und Generalstabschef General An Ki-sok. Kwon betrachtete sie nacheinander und suchte auf ihren Gesichtern einen Hinweis darauf, was er dem Präsidenten der Vereinigten Staaten antworten sollte. Schließlich sagte er: »Entschuldigen Sie bitte, Mr. President. Ich muss mich mit meinen Mitarbeitern beraten.«
Bevor Martindale ein Wort sagen konnte, fand er sich in einer Warteschleife wieder.
»Da haben wir's«, sagte Kwon zu seinen Beratern. »Die befürchtete Frage ist gestellt worden. Darf ich um Meinungsäußerungen bitten?«
»Verdienen die Amerikaner überhaupt eine Antwort?«, fragte General Kim aufgebracht. »Ich habe den Eindruck, dass sie uns irgendein falsches Spiel vorwerfen. Wie können sie das nur wagen?«
»Ich möchte Sie daran erinnern, General, dass die Vereinigten Staaten uns zwei Generationen lang beschützt haben«, erwiderte Präsident Kwon. »Kein Jahrzehnt nach einem verlustreichen Weltkrieg, der mit der Niederlage unserer japanischen Unterdrücker geendet hat, haben sie das Blut ihrer Soldaten auf unserem Boden vergossen. Sie haben einen Atomkrieg riskiert, um Südkorea frei und demokratisch zu erhalten. Sie haben sehr wohl eine Antwort verdient, finde ich.«
»Die wahren Beweggründe der Amerikaner haben Sie selbst schon mehrmals genannt, Herr Präsident: Sie haben aus Eigennutz gehandelt«, antwortete Kim. »Wie die Russen und Chinesen im Norden haben die Amerikaner Korea nur dazu benutzt, um feindliche Großmächte einzuschüchtern; unser Schutz war immer nur zweitrangig. Sie wissen so gut wie ich, dass Washington unserem Plan zur Wiedervereinigung der beiden Koreas nie zugestimmt hätte. Wegen der kompromisslos ablehnenden Haltung Amerikas mussten wir sie selbst erringen. Und jetzt wollen die Amerikaner uns diese mühsam erkämpften Waffen wegnehmen?
Dazu sage ich nein!«
Obwohl Präsident Kwon den schrillen Tonfall seines Verteidigungsministers gewöhnt war, machte er ihm diesmal Sorgen. Er sah sich am Konferenztisch um. »Was halten Sie davon, meine Herren?«
»Ich stimme Minister Kim nicht zu, Herr Präsident«, sagte Außenminister Kang sichtlich nervös. »Behalten wir die Waffen, schaden wir damit nur unseren auswärtigen Beziehungen. Dann gelten wir als unberechenbare Atommacht wie Israel oder der Irak. Das wäre nicht gut für unsere Sache.«
»Ich stimme Minister Kim zu«, antwortete General An. Für Kwon kam das nicht überraschend. Obwohl alle hier Anwesenden als gleichberechtigt galten, war An auf Kims Unterstützung angewiesen, wenn er Karriere machen und seinem Förderer eines Tages als Verteidigungsminister nachfolgen wollte; deshalb schlug er sich in Grundsatzfragen meistens auf Kims Seite. »Statt uns mutwillig selbst zu schwächen, sollten wir mit China und dem Rest der Welt aus einer Position der Stärke heraus verhandeln können. Obwohl ich zustimme, dass die Vereinigten Staaten uns ein zuverlässiger Freund und Verbündeter gewesen sind, haben sie kein Recht, uns ihre Bedingungen zu diktieren.«
»Tut mir Leid, wenn ich die Verantwortung wieder Ihnen aufbürde, Herr Präsident«, sagte Ministerpräsident Lee mit schiefem Lächeln, »aber ich stimme Kim nicht zu. Wir sollten
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