Lautloses Duell
Gillette und schaute in Brandons ernste runde Augen. Der Junge sah in erster Linie seiner Mutter ähnlich.
»Nö«, erwiderte Brandon, »das war total langweilig. Wir mussten QBasic benutzen. Ich will O-O-P lernen.«
Objektorientiertes Programmieren – der neueste Trend, umgesetzt durch die avancierte Sprache C++.
Der Junge zuckte die Achseln. »Dann Java und HTML, für’s Netz. Mann, das muss doch heute jeder können!«
»Willst du denn später mal was mit Computern machen, wenn du groß bist?«
»Lieber nicht. Ich werde lieber Baseball-Profi. Java will ich nur lernen, weil sich da gerade so gut wie alles abspielt.«
Gillette lachte in sich hinein. Da hatte er einen Grundschüler, dem es schon mit Basic zu langweilig war und der den Blick ganz weit weg auf den Programmierer-Horizont gerichtet hatte.
»Hast du Lust, Mr. Gillette deinen Computer zu zeigen?«
»Spielen Sie Tomb Raider?«, wollte der Junge wissen. »Oder Earthworm Jim?«
»Für Spiele habe ich kaum Zeit.«
»Ich zeig’s Ihnen. Kommen Sie mit.«
Gillette folgte dem Jungen in ein mit Büchern, Spielsachen, Sportsachen und Kleidung übersätes Zimmer. Auf dem Nachttisch lagen die Harry-Potter-Bücher, daneben ein Gameboy, zwei ’N Sync-CDs und eine Hand voll Disketten. Wenn das keine typische Momentaufnahme unseres Zeitalters ist, dachte Gillette.
Mitten im Zimmer standen ein IBM-Klon und haufenweise Software-Handbücher. Brandon setzte sich davor, startete die Kiste und lud mit Lichtgeschwindigkeit eine Spiele-CD. Gillette erinnerte sich daran, wie er als Kind in Brandons Alter zielsicher auf den Trash-80, den damals modernsten PC, losgesteuert war, als ihn sein Vater aufgefordert hatte, sich im Radioladen irgendetwas auszusuchen. Damals war der winzige Computer eine aufregende Sache gewesen, obwohl er, verglichen mit der billigen Kiste aus dem Versandhaus, die jetzt vor ihm stand, ein völlig simples, hoffnungslos veraltetes Teil war. Damals – es war noch nicht einmal so viele Jahre her – besaß kaum eine Hand voll Menschen auf der Welt eine so leistungsstarke Maschine, auf der Brandon Bishop nun eine schöne Frau in einem engen grünen Top und mit einer Pistole in jeder Hand durch eine Höhle dirigierte.
»Wollen Sie spielen?«
Der Vorschlag rief ihm das grausame Spiel Access und Phates digitale Aufnahme von dem ermordeten Mädchen in Erinnerung (das den gleichen Namen trug, Lara, wie die Heldin in Brandons Spiel); momentan wollte er nichts mit Gewalt zu tun haben, nicht einmal mit zweidimensionaler.
»Später vielleicht.«
Er schaute ein paar Minuten zu, wie fasziniert die Augen des Jungen über den Bildschirm tanzten. Dann streckte der Detective den Kopf zur Tür herein. »Licht aus, mein Junge.«
»Papa, schau mal, auf welchem Level ich schon bin! Nur noch fünf Minuten!«
»Nein, es ist höchste Zeit, in die Falle zu gehen.«
»Ooch, Papa …«
Bishop vergewisserte sich, dass der Junge die Zähne geputzt und seine Schultasche gepackt hatte. Dann gab er ihm einen Gutenachtkuss, fuhr den Computer herunter und löschte das Deckenlicht, woraufhin ein Raumschiff aus
Star Wars
als einzige Lichtquelle im Zimmer leuchtete.
»Kommen Sie«, sagte er zu Gillette. »Ich zeige Ihnen das Hinterland.«
»Wie bitte?«
»Kommen Sie einfach mit.«
Bishop geleitete Gillette durch die Küche, wo Jennie Sandwiches belegte, und ging zur Hintertür hinaus.
Bei dem Anblick, der sich ihm von der hinteren Veranda aus bot, blieb der Hacker abrupt stehen und stieß ein lautes Lachen aus.
»Genau!«, rief Bishop. »Ich bin Bauer.«
Das Gelände hinter dem Haus war mit etlichen Reihen Obstbäumen bepflanzt, insgesamt mochten es wohl an die fünfzig sein.
»Wir sind vor achtzehn Jahren hierher gezogen, gerade zu der Zeit, als es anfing, mit dem Valley steil bergauf zu gehen. Ich hab mir so viel Geld zusammengeliehen, um zwei Grundstücke kaufen zu können. Auf dem hier steht noch ein Teil des ehemaligen Bestandes. Alles Aprikosen und Kirschen.«
»Was tun Sie damit? Verkaufen?«
»Das meiste verschenken wir. Wer mit den Bishops befreundet ist, bekommt zu Weihnachten mit ziemlicher Sicherheit eingemachte oder getrocknete Früchte. Und die Leute, die wir richtig mögen, kriegen Weinbrandkirschen.«
Gillette ließ den Blick über die Wassersprenger und die altmodischen Rauchtöpfe schweifen. »Sie betreiben das wohl ziemlich ernsthaft«, meinte er.
»Hält mich fit. Vor allem im Kopf. Wenn ich nach Hause komme, gehen Jennie und ich raus und
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