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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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leicht fallen würde, aber es sei die richtige Entscheidung. Er wollte wissen, ob ich mich für ihn freuen würde.«
    »
Das
hat er Sie gefragt?«
    Gillette nickte. »Ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe, aber kurz darauf sind wir aus dem Lokal, und als wir die Straße entlanggingen, ist ihm vielleicht aufgefallen, dass ich ziemlich durch den Wind war, denn als dieser Laden vor uns auftauchte, sagte er auf einmal: ›Weißt du was, mein Sohn, da gehen wir jetzt rein, und du darfst dir was aussuchen, egal, was.‹«
    »Ein Trostpreis.«
    Gillette lachte und nickte. »Ja, genau das war’s wohl. Der Laden war ein Elektronikgeschäft. Ich spazierte hinein und schaute mich staunend um. Ich sah überhaupt nichts, weil ich so verstört und aufgewühlt war, und eigentlich versuchte ich nur, nicht vor allen Leuten loszuheulen. Ich nahm einfach das erstbeste Ding, das mir in die Augen fiel: einen Trash-80.«
    »Einen was?«»Einen TRS-80. Einen der ersten PCs.« E-G-A-L-W-A-S-…»Zu Hause hab ich den ganzen Abend damit herumgespielt, bis ich hörte, wie meine Mutter heimkam und sie sich mit meinem Vater ganz übel stritt. Dann war er weg, und das war’s dann.«
    D-A-S-B-L-A-U-E-N-I-C-H-T-S-… Gillette lächelte kurz. Seine Finger tippten. »Dieser Artikel, den ich geschrieben habe ›Das Blaue
    Nichts‹…«
    »Ich erinnere mich daran«, sagte Bishop. »Damit meinen Sie
    den Cyberspace.«
    »Es bedeutet noch etwas anderes«, sagte Gillette langsam. N-I-C-H-T-S. »Wie bitte?«
    »Wie gesagt, mein Vater war bei der Luftwaffe. Als ich noch sehr klein war, lud er öfter ein paar von seinen Militärkumpels ein, es wurde immer kräftig getrunken, sie wurden immer lauter, und dann haben sie mehrere Male das alte Luftwaffen-Lied gesungen,
The Wild Blue Yonder.
Na ja, und als er weg war, hörte ich dieses Lied immer wieder und immer wieder in meinem Kopf, nur das ›yonder‹ tauschte ich gegen ›Nichts‹ ein,
The Wild Blue Nowhere
, weil er doch weg war. Er war irgendwo im Nichts.« Gillette schluckte schwer. Dann hob er den Blick. »Ziemlich bescheuert, was?«
    Aber Bishop fand offensichtlich überhaupt nichts Bescheuertes an dieser Geschichte. Mit seiner Stimme, deren mitfühlender Ton ihn zu einem geborenen Familienmenschen machte, fragte er: »Haben Sie jemals wieder von ihm gehört? Oder erfahren, was aus ihm geworden ist?«
    »Nein. Keine Ahnung.« Gillette lachte auf. »Ab und zu kommt mir der Gedanke, dass ich ihn vielleicht suchen sollte.«
    »Sie sind doch sehr gut darin, Leute über das Netz ausfindig zu machen.«
    Gillette nickte. »Trotzdem werde ich es wohl nicht versuchen.«
    Seine Finger zappelten immer noch wie wild. Die Spitzen waren durch die Schwielen so unempfindlich, dass er die Kälte der Getränkedose, gegen die sie pausenlos trommelten, überhaupt nicht spürte.
    O-F-F-W-E G-O, I-N-T-O T-H-E
    »Es wird sogar noch besser … Als ich neun oder zehn war, habe ich Basic gelernt, die Programmiersprache, und habe stundenlang Programme geschrieben. Die ersten brachten dem Computer das Sprechen bei. Wenn ich ›Hallo‹ eintippte, antwortete der Computer mit: ›Hallo, Wyatt. Wie geht’s?‹ Dann tippte ich: ›Gut‹, und er fragte: ›Was hast du heute in der Schule gemacht?‹ Ich überlegte mir immer Sätze, die der Computer sagen sollte, Sätze, die ein richtiger Vater fragen würde.
    Jeden Tag, wenn ich von der Schule nach Hause kam, setzte ich mich vor die Kiste und blieb den ganzen Nachmittag und den ganzen Abend dort. Manchmal ging ich nicht mal mehr zur Schule. Meine Mutter war nicht oft zu Hause und kriegte davon nichts mit.«
    E-G-A-L-W-A-S…
    »Diese E-Mails, die mein Vater angeblich dem Richter geschrieben hat, und die Faxe von meinem Bruder, in denen er schreibt, ich soll zu ihm nach Montana ziehen, diese ganzen psychologischen Berichte und Beurteilungen darüber, was ich für einen tollen familiären Hintergrund habe und dass mein Vater der Allerbeste ist … Das habe ich alles selbst geschrieben.«
    »Tut mir Leid«, sagte Bishop. »Na ja, ich hab’s überlebt. Spielt keine Rolle mehr.«»Wahrscheinlich doch«, widersprach Bishop leise. Sie saßen sich eine Weile schweigend gegenüber. Dann erhob sich der Detective und machte sich daran, das Geschirr zu spülen. Gillette half ihm, und schon bald plauderten sie wieder über alles Mögliche –über Bishops kleine Obstplantage, über das Leben in San ’Ho. Nachdem sie die Teller abgetrocknet hatten, trank Bishop sein Bier aus und

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