Lautloses Duell
widersprach Gillette, »dass ich der Einzige bin, der weiß, was hier zu tun ist. Als Hacker hat man ein Gespür für Rechner.«
»Einverstanden«, sagte Bishop.
Shelton hob in einer Geste der Ohnmacht die Arme. Stephen Miller sah auch nicht viel glücklicher aus. Tony Mott fuhr zärtlich mit der Handfläche über den Griff seiner Riesenpistole und schien weniger an Maschinen als daran zu denken, wie sich am besten ein sauberer Schuss auf den Mörder abfeuern ließ.
Bishops Telefon klingelte. Er ging ran, hörte ein paar Sekunden zu, und obwohl er nicht direkt lächelte, wurden seine Züge doch deutlich lebhafter. Er nahm einen Stift und Papier zur Hand und machte sich eifrig Notizen. Nach fünf Minuten legte er auf und sah in die erwartungsvollen Gesichter seiner Mitarbeiter.
»Wir brauchen ihn nicht mehr Phate zu nennen. Wir haben seinen richtigen Namen.«
13 Kapitel 00001101
»Jon Patrick Holloway.«
»Holloway ist es?« Patricia Nolans Stimme klang erstaunt.
»Kennen Sie ihn?«, fragte Bishop.
»Allerdings. Die meisten Sicherheitstechniker in der Computerbranche kennen ihn. Aber schon seit Jahren hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Ich dachte, er hätte sich auf die andere Seite geschlagen oder wäre gestorben.«
»Dank Ihnen haben wir ihn so schnell ausfindig gemacht«, sagte Bishop zu Gillette. »Der Hinweis mit der Ostküstenversion von Unix. Die Polizei von Massachusetts hat seine Fingerabdrücke in der Kartei.« Bishop las seine Notizen durch. »Wir haben sogar einen kleinen Lebenslauf: Unser Mann ist siebenundzwanzig Jahre alt, geboren in New Jersey. Die Eltern und das einzige Geschwisterkind, ein Bruder, sind tot. Er besuchte Rutgers und Princeton, gute Abschlussnoten, gilt als genialer Computerprogrammierer. Sehr beliebt bei den Mitschülern, Teilnahme an allen möglichen AGs. Nach dem Abschluss siedelte er hierher an die Westküste um und nahm eine Stelle bei Sun Microsystems an, wo er im Bereich künstliche Intelligenz und Supercomputing geforscht hat. Von dort ist er zu NEC, dem großen japanischen Computerhersteller nicht weit von hier. Anschließend hat er für Apple gearbeitet, drüben in Cupertino. Ein Jahr später war er wieder an der Ostküste und entwarf avancierte Telefonschaltungssysteme für Western Electric in New Jersey. Dann nahm er eine Stelle am Harvard Computer Lab an. Sieht ganz so aus, was wäre er der perfekte Angestellte gewesen – ausgeprägter Teamgeist, Mitarbeiter des Jahres, die ganze Palette.«
»Also der typische, gut situierte Silicon-Valley-Chip-Jock«, fasste Mott zusammen.
Bishop nickte. »Mit einer Ausnahme. Während es nach außen hin den Anschein hatte, er sei der reinste Vorzeigebürger, war er die ganze Zeit über in der Nacht fleißig am Hacken und leitete Cybergangs. Die berühmteste waren die Knight of Access, die er mit einem anderen Hacker namens Valleyman gegründet hat. Dessen richtiger Name ist nicht bekannt.«
»Die KOA?«, fragte Miller besorgt. »Das waren gewiefte Burschen. Sie haben sich die Masters of Evil vorgenommen, diese Gang aus Austin. Und die Deceptors in New York. Er hat jeweils die Server der beiden Gangs geknackt und ihre Daten an das FBIBüro in Manhattan übermittelt. Daraufhin wurde die Hälfte von ihnen festgenommen.«
»Die Knights waren höchstwahrscheinlich auch dafür verantwortlich, dass in Oakland zwei Tage lang die Notrufnummern nicht funktionierten«, sagte Bishop. »Damals sind einige Leute gestorben. Krankennotrufe, die niemals ankamen. Aber der Staatsanwalt hat es ihnen nie nachweisen können.«
»Saukerle«, zischte Shelton.
»Damals nannte sich Holloway noch nicht Phate«, fuhr Bishop fort. »Sein Username war CertainDeath. Kennen Sie ihn?«, fragte er Gillette.
»Nicht persönlich. Aber ich habe schon von ihm gehört. So wie jeder in der Community. Er spielt bei den Wizards ganz oben mit.«
Bishop widmete sich wieder seinen Aufzeichnungen.
»Sieht aus, als hätte er sich nicht nur in irgendwelchen Gangs rumgetrieben. Als er für Harvard arbeitete, hat ihn jemand verpfiffen. Die Polizei hat ihm einen Besuch abgestattet. Sein ganzes Leben war erstunken und erlogen. Er hat bei Harvard Supercomputerteile und Software geklaut und sie verkauft. Die Polizei hat sich bei Western Electric, Sun, NEC und allen seinen anderen Arbeitgebern umgehört, und allem Anschein nach lief es dort genauso. In Massachusetts ist er abgehauen, während er auf Kaution frei war, und jetzt hat schon seit Jahren niemand etwas von
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