Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht

indem er Mama davon überzeugte, dass Rosa für mich unvorteilhaft ist.«
    Emeline begutachtete das neue türkisfarbene Tageskleid. »Er hatte ganz Recht. Du siehst in kräftigeren Farben blendend aus.«
    »Danke.« Priscilla ließ ihren Sonnenschirm wirbeln. »Es wurde ja doch noch ein recht aufregender Tag, findest du nicht? Mit Mr Pierce sind wir sehr geschickt umgegangen. Meinst du nicht, dass wir für die Bühne geboren wären?«
    »Erwähne vor deiner Mutter bloß nicht einen so skandalösen Beruf. Aber sie würde ohnehin in Ohnmacht fallen. Ja, ich bin auch der Meinung, dass wir die Situation gut meisterten. Du warst einfach brillant.«
    »Du hast dich selbst sehr gut gehalten. Pierce wird vielleicht nicht glauben, dass Mr March und Mrs Lake ihre Ermittlungen einstellen, weil sie keinen Auftraggeber haben. Ich bin aber sicher, dass er den Eindruck gewann, ihre Nachforschungen hätten kaum Fortschritte gemacht.«
    Ein kleiner Schauer überlief Emeline. »Ich bin sicher, dass es sich so verhält. Warte, bis ich ihnen berichte, was heute bei Lady Wortham passierte. Sie werden nicht glauben können, dass wir es mit ihrem Verdächtigen zu tun hatten.«
    »Er hat den Termin mit Mama ganz sicher deshalb vereinbart, weil er hoffte, von mir etwas über die Situation zu erfahren. Er muss sehr erfreut gewesen sein, als er ankam und dich bei mir antraf.« Ihre Miene erhellte sich. »Hier kommen Anthony und Dominic. Ich muss sagen, dass mich deine Eröffnung, dass sie Halbbrüder sind, fast so erstaunt wie der Umstand, als ich Mr Pierce in der Eingangshalle stehen sah.«
    »Ich nehme an, die Beziehung erklärt etwas von den Reibungen zwischen ihnen.« Sie beobachtete Anthony und Dominic, die durch den Park auf sie zukamen. »Hoffentlich konnten sie ihre Differenzen ausräumen, da nun die Wahrheit offenbar ist.«
    Priscilla umfasste ihren Sonnenschirm fester. »Emeline«, sagte sie mit gespieltem Gleichmut, »glaubst du, mein neues Kleid und meine neue Frisur werden bei Mr Hood Anklang finden?«
    »Priscilla, du siehst einmalig aus. Sicher wird Mr Hood vor dir auf die Knie fallen, wie Pierce es prophezeite.«
    Priscilla verzog das Gesicht. »Mir wäre lieber, er würde mir zeigen, wie man sein Mikroskop benutzt.«
    Anthony und Dominic hatten sie fast erreicht. Emeline fiel auf, dass sie mit ausgreifenden, zielstrebigen Schritten gingen und nicht lässig dahinschlenderten, wie es die Gewohnheit eleganter Gentlemen war. Ihre Aufmachung erstaunte sie noch mehr. Sie waren so gar nicht für eine Nachmittagspromenade im Park gekleidet. Ihre Schuhe waren nicht frisch poliert, ihre locker geschnittenen Jacketts erinnerten an jene Sorte, die Mr March bevorzugte. Sogar ihre Halstücher sahen aus, als wären sie in aller Eile gebunden worden. Keiner der beiden hatte sich die Mühe gemacht und sich Zeit für einen kunstvollen modischen Knoten genommen.
    »Da stimmt etwas nicht«, bemerkte Emeline.
    Anthony und Dominic blieben vor ihnen stehen.
    »Was zum Teufel treibt ihr hier?«, fragte Anthony ohne auch nur die Andeutung einer höflichen Verbeugung. Sein Hut war tief in die Stirn gezogen und verlieh ihm ein finsteres Aussehen. »Seid ihr verrückt geworden?«
    »Wie bitte?« Emeline war ob der unhöflichen Begrüßung entrüstet. »Wenn du deine Erinnerung bemühst - wir vier verabredeten uns für hier und heute.«
    »Das war aber, ehe wir erfuhren, dass ihr den Nachmittag mit einem Mörder verbringt«, knurrte Dominic. Auch sein Hut saß bedrohlich schräg über der Stirn.
    »Ihr wisst von meinem Termin mit Mr Pierce?«, fragte Priscilla.
    »Tobias und Mrs Lake entdeckten eine diesbezügliche Notiz, als sie seine Wohnung durchsuchten.« Anthony blickte von Priscilla zu Emeline und zurück. »Ihr seid doch heil und unversehrt, oder?«
    »Ja, natürlich«, antwortete Emeline ruhig. »Aber was viel wichtiger ist: Wir glauben, dass wir jeglichen Verdacht, den Mr Pierce vielleicht schöpfte, ausräumten, indem wir andeuteten, dass die Ermittlungen nicht gut verliefen.«
    Priscilla runzelte die Stirn. »Warum seid ihr so sonderbar angezogen?«
    »Mr March ließ uns nicht viel Zeit, uns geziemend umzukleiden«, sagte Dominic trocken. »Er drängte darauf, dass wir euch sofort suchen und sicher in die Claremont Lane bringen. Mrs Lake wünscht euch sofort zu sprechen. Und dann sollen wir Sie direkt nach Hause begleiten, Miss Priscilla.«
    »Da Pierce Interesse an euch bekundete, möchte Tobias nicht, dass ihr allein aus dem Haus geht«,