Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
hatte.«
»Du meinst die jeweiligen Erben?«
»Ja. In allen vier Fällen. Sie alle endeten damit, dass große Vermögen sowie etliche stattliche Güter und ein Titel den Besitzer wechselten.«
»Und was erschien dir daran sonderbar? Wenn reiche Titelträger das Zeitliche segnen, ist das doch normal.«
»Allerdings. Aber es gab noch andere Aspekte dieser Todesfälle, die meine Neugierde weckten. So kamen mir beispielsweise die zwei Selbstmorde unwahrscheinlich vor. Crackenburne, der über die Affären der feinen Gesellschaft üblicherweise gut informiert ist, wusste nichts davon, dass die zwei Männer, die so den Tod fanden, an Melancholie oder an einer tödlichen Krankheit gelitten hätten. Auch hatte keiner der beiden kurz davor finanzielle Verluste hinnehmen müssen.«
»Und die Unfälle?«
»Die alte Countess brach an einem kalten Wintertag bei einem Spaziergang auf einem Weiher im Eis ein, die reiche Witwe brach sich bei einem Sturz über die Treppe das Genick, als sie nachts in ihrem Haus allein war.«
Nun trat kurz Stille ein. Widerstrebend sah Lavinia zu der Stelle hin, wo Fullerton sich anscheinend verzweifelt bemüht hatte, den tödlichen Sturz zu vermeiden.
Tobias folgte ihrem Blick und nickte. »Tatsächlich ähnelte ihr Tod jenem Fullertons.«
»Sprich weiter.«
Tobias nahm seine langsame Wanderung wieder auf. »Crackenburne drängte mich, diese Todesfälle zu untersuchen. Ganz diskret natürlich. Von Mord war nicht mal andeutungsweise die Rede gewesen und keine der betroffenen Familien wollte auch nur einen Gedanken daran verschwenden.«
»Und was hast du entdeckt?«
»Im Laufe meiner Ermittlungen im Fall des Treppensturzes erfuhr ich, dass die Haushälterin neben der Toten ein sehr unschönes Schmuckstück gefunden hatte.«
Eine ekelige Vorahnung ließ ihre Handflächen kalt werden. »Doch nicht etwa einen Mementomori-Ring?«
»Doch.« Tobias schloss die Hand fest um das Schmuckstück. »Die Haushälterin, die ihrer Herrin schon viele Jahre diente, war sicher, dass der Ring nicht zu den Schmucksachen der Witwe gehörte. Als ich die zwei Selbstmorde untersuchte, erfuhr ich, dass ähnlich sonderbare Ringe in den Bibliotheken beider Männer gefunden worden waren. Und keiner der Kammerdiener kannte oder erkannte die Ringe.«
Plötzlich wurde sie gewahr, wie kalt die Nachtluft war. »Mir dämmert, warum dir Fullertons Tod zu denken gibt.«
»Vierzehn Tage, nachdem ich mit meinen Nachforschungen begann, gab es einen fünften Todesfall. Ein älterer Peer hatte offenbar eine Überdosis Laudanum genommen. Aber diesmal erfuhr ich dank Crackenburnes Verbindungen sofort von dem angeblichen Selbstmord. Mit seiner Hilfe durfte ich ins Haus, ehe der Tote fortgeschafft wurde, und konnte das Schlafzimmer durchsuchen, in dem er gestorben war. Ich fand den Ring auf seinem Schreibtisch. Aber das war noch nicht alles.«
»Was hast du sonst noch entdeckt?«
»Schmutz auf dem Fensterbrett, so als wäre jemand nachts ins Zimmer gestiegen, vielleicht, um sich mit dem Laudanum zu schaffen zu machen. Im Garten unter dem Fenster fand ich ein Fetzchen feiner schwarzer Seide, das an einem Zweig hängen geblieben war. Ich konnte den Laden ausfindig machen, in dem der Stoff gekauft worden war, und bekam auch eine Beschreibung des Mannes, der ihn kaufte.«
»Hervorragende Arbeit, Tobias.«
»Es kamen noch andere Spuren ans Licht.« Tobias atmete tief durch. »Ich will dich mit den übrigen Einzelheiten nicht langweilen. Eins führte zum anderen, so dass ich schließlich den Mörder identifizieren konnte. Er aber wusste, dass ich ihm auf der Spur war.«
»Flüchtete er außer Landes?«
Tobias stellte einen Fuß auf die niedrige Mauer und stützte den Unterarm auf den Schenkel, anscheinend in den Anblick des dunklen Horizonts versunken.
»Nein«, sagte er schließlich. »Er sah sich als Gentleman, der mich zu einem tödlichen Duell herausforderte. Als ihm klar wurde, dass er verloren hatte, schoss er sich eine Kugel in den Kopf.«
»Ich verstehe.«
»In einem Geheimsafe in seinem Arbeitszimmer fand ich eine Sammlung von Mementomori-Ringen und eine Auflistung seiner sämtlichen Verbrechen.«
»Allmächtiger ... Er führte Buch über seine Untaten?«
»Ja.«
»Und die Ringe? Warum hinterließ er sie an den Tatorten?«
»Die Ringe sollten wohl eine Art Signatur sein, die ihn als Täter kennzeichnete.«
Sie starrte ihn entsetzt an. »Er signierte seine grässlichen Taten wie ein Maler seine Werke?«
»Ja. Er
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