Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
er als Dr. Hughes vorstellte.
Hinter seinem ausladenden Schreibtisch wirkte Beaumont noch kleiner und runder als sonst. Tobias fiel auf, dass er ein Glas in der Hand hielt, das er bereits zur Hälfte geleert hatte.
Der Alkohol schien eine heilsame Wirkung auf seine Nerven auszuüben, da er nun weder ängstlich noch unsicher wirkte. Seine Lordschaft hatte das Haus wieder fest im Griff.
Auf Lavinias Frage erwiderte Drum, dass vom ständigen Personal niemand der Beschreibung des blonden Hausmädchens entspräche.
Lavinia schwang das Häubchen. »Und was ist das hier, wenn ich fragen darf?«
Alle starrten das Häubchen an.
»Ich bezweifle nicht, dass Sie Fullerton tatsächlich mit einer Frau sahen«, sagte Beaumont zu Lavinia. »Mit einem Mädchen aus dem Dorf etwa. Jedenfalls ist klar, dass Fullerton zu viel getrunken hatte, sich ein williges Weibsbild suchte und dann zu einem Stelldichein das Dach erklomm. Was sich dann ereignete, war ein außergewöhnlich unglücklicher Unfall.« Er musterte den Arzt finster. »Ist das korrekt, Dr. Hughes?«
»Allerdings.« Hughes räusperte sich und versuchte, in seinem Sessel ein wenig größer zu wirken. »Ich untersuchte den Toten«, verkündete er ernst. »Fullerton fiel ganz eindeutig einem Unfall zum Opfer.«
Tobias stieß insgeheim eine Verwünschung aus. Ihm war klar, dass Beaumont entschlossen war, das Thema von Fullertons Tod endgültig und rasch abzuschließen. Die Andeutung, dass es sich um Mord handelte, würde bei ihm auf Widerstand stoßen.
Lavinia zog die Brauen zusammen. »Sir, Mr March und ich vermuten, dass dieses willige Frauenzimmer, wer immer es war, Fullerton mit Absicht aufs Dach lockte. Wir müssen feststellen, ob jemand die Frau identifizieren kann.«
Beaumont sah Drum mit gerunzelter Stirn an.
Der Butler ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wie Seine Lordschaft ausführte, handelt es sich um eines der Dorfmädchen, die wir für solche Feste vorübergehend einstellen. Zweifellos geriet es in Panik, als Lord Fullerton den unglücklichen Unfall erlitt, und flüchtete aus dem Haus, ehe man es befragen konnte. Es hatte sicherlich guten Grund zu verschwinden. Wenn ruchbar würde, dass es auf dem Dach in einer verfänglichen Situation mit einem Gentleman angetroffen wurde, würde es in der Umgebung schwerlich Arbeit finden.«
»Es wäre auch möglich, dass es sich noch im Schloss befindet«, wandte Lavinia ein. »Wir müssen das gesamte Personal und die Gäste versammeln und alle verhören.«
Beaumont, der rot anlief, öffnete und schloss mehrmals den Mund, bis er endlich wieder sprechen konnte. »Die Gäste verhören? Sind Sie verrückt, Mrs Lake? Sie werden nichts dergleichen tun. Ich verbiete es.«
»Sir, es könnte sein, dass wir von einem Mord sprechen.«
»Fullerton wurde nicht ermordet. Es war ein Unfall.«
»Wir haben allen Grund zu der Annahme ...«
»Glauben Sie, was Sie wollen, Mrs Lake, aber das ist mein Haus, und ich werde nicht zulassen, dass meine Gäste noch mehr behelligt werden.«
Auf diese Weise erreichen wir gar nichts, dachte Tobias. Er sah Beaumont an. »Sie pflichten mir bei, dass Fullerton kurz vor seinem Sturz mit einer Frau zusammen war, glauben aber nicht, dass sie mit seinem Tod etwas zu tun hatte?«
»Der Mann hatte über den Durst getrunken.« Beaumont nahm einen tiefen Schluck von seinem Brandy und senkte das Glas. »Er verlor das Gleichgewicht. Das ist die ganze Geschichte. Eine große Tragödie, aber bestimmt kein Mordfall.«
Ein Jammer, dass Beaumont sich von seiner früheren Konfusion erholt und in Gestalt seines Butlers und des Dorfarztes Verbündete gewonnen hat, dachte Tobias. Was Seine Lordschaft anging, war die Situation wieder unter Kontrolle und seine Autorität wiederhergestellt. Man konnte es ihm nicht verdenken, dass er von der skandalösen Möglichkeit eines Mordes nichts wissen wollte. Diese Art Klatsch konnte sehr langlebig sein.
»Sir«, sagte Tobias gelassen, »meiner Ansicht nach bedürfen einige diesen Fall betreffende Fragen der Klärung. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne meine Ermittlungen in dieser Sache fortsetzen.«
»Ganz ausgeschlossen, March.« Beaumont schlug mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte und sprang auf. »Das geht zu weit. Es hat schon viel zu viel Unruhe im Haus gegeben. Lady Beaumont ist außer sich.«
Lavinia klopfte mit der Fußspitze auf den Boden. Tobias bemerkte ihren Gewitterblick und versuchte, ihr ein Zeichen zu geben, sie aber ignorierte die
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