Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
damit beendet.
Joan stand auf und ging wieder ans Fenster. »Ehe Sie kamen, meine Liebe, gab meine Tochter sich große Mühe, mich an eben diese Tatsache zu erinnern.«
»Ich will nicht in Sie dringen«, sagte Lavinia. »Aber ich fühle, dass Sie unglücklich sind. Kann ich etwas für Sie tun?«
Joans wohlgeformtes Kinn nahm einen festen Zug an. Sie blinzelte einige Male, als hätte sie etwas im Auge. »Maryanne kam heute, um mir wegen meiner neuen und angeblich ungehörigen Freundschaft mit Lord Vale Vorhaltungen zu machen.«
»Ach du meine Güte.«
»Sie scheint das Gefühl zu haben, dass ich damit Fieldings Gedenken untreu werde.«
»Ich verstehe.«
»Von der eigenen Tochter in diesen Belangen zurechtgewiesen zu werden, kann einen schon aus der Fassung bringen.«
Lavinia räusperte sich. »Falls es Ihnen ein Trost ist ... Ich musste mir unlängst ähnliche Vorwürfe von meiner Nichte anhören. Emeline machte mir klar, dass meine Beziehung zu Mr March nun schon lange genug ohne Trauschein bestünde.«
Joan warf ihr einen raschen, spöttisch-mitfühlenden Blick zu. »Dann können Sie vielleicht meine Gefühle nachempfinden. Sagen Sie mir aufrichtig, ob Sie finden, dass meine Beziehung zu Vale Indiz dafür ist, dass ich das Gedenken an Fielding nicht mehr pflege?«
»Joan, die Natur Ihrer Freundschaft zu Lord Vale geht mich nichts an. Da Sie mich aber um meine Meinung baten, will ich damit nicht zurückhalten. Nach allem, was Sie über Ihre Ehe sagten, glaube ich, dass Fielding Dove Sie über alles liebte. Daher kann ich mir nicht vorstellen, er hätte gewollt, dass Sie sich nach seinem Tod jede Chance, wieder Glück und Zuneigung zu erleben, versagen würden.«
»Das sagte ich mir selbst auch.«
»Wenn Sie Zweifel haben, versuchen Sie die Situation umzukehren. Wären Sie als Erste gestorben, hätten Sie doch auch nicht gewollt, dass Fielding den Rest seines Lebens allein bleibt?«
»Nein«, sagte Joan leise. »Ich hätte vor allem anderen gewünscht, dass er glücklich ist.«
»Ich glaube, genau das hätte er auch gesagt, wenn jemand ihm die Frage gestellt hätte.«
»Danke.« Joan schien ein wenig erleichtert. Sie drehte sich um und lächelte. »Es ist sehr lieb von Ihnen, mich zu beruhigen. Ich gestehe, dass Maryannes Tränen und Anschuldigungen mich sehr erschütterten. Ich fragte mich schon, ob ich Fielding wirklich aus meinem Herzen verbannte.«
»Sie können sicher sein, dass Emelines kleine Moralpredigt auch mich ein wenig zum Zittern brachte.«
»Ich muss sagen, dass man die Zwickmühle, in der wir uns befinden, unter anderen Umständen fast amüsant finden könnte. Sie und ich haben viele Jahre und viel Mühe darauf verwendet, zwei jungen Damen Anstand und gutes Benehmen einzutrichtern - und jetzt drehen sie den Spieß einfach um.«
»Ja, das gibt einem zu denken.« Lavinia runzelte die Stirn. »Ich frage mich, ob es ein Anzeichen dafür ist, dass die jüngere Generation eine Neigung zur Prüderie entwickelt.«
Joan schauderte. »Was für ein grässlicher Gedanke. Diskretion und Anstand sind ja gut und schön, doch wäre es sehr schade, wenn aus der heutigen Jugend ein Volk engherziger steifer Tugendbolde würde.«
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Kapitel 12
T obias ging die Stufen zu Nummer 7 mit einem Gefühl freudiger Erwartung hinauf, das ihn seit dem Frühstück nicht mehr verlassen hatte. Die Aussicht auf ein nachmittägliches Stelldichein mit Lavinia war der einzige Lichtblick an einem Tag, der sich' als überaus enttäuschend und unproduktiv erwiesen hatte. Nun wollte er nichts mehr, als sich in dem im Obergeschoss gelegenen Schlafraum aufs Bett sinken lassen und sich für eine oder zwei gestohlene Stunden in den Armen seiner Geliebten verlieren.
Seine Hoffnung war dahin, als Mrs Chilton ihm öffnete.
»Mrs Chilton, was für eine Überraschung. Ich hätte geschworen, dass Sie heute beim Frühstück erwähnten, Sie wollten nachmittags aus dem Haus gehen und Johannisbeeren besorgen, so dass Mrs Lake eine Zeit lang allein sein würde.«
»Sie brauchen mich nicht so anzusehen, Sir.« Mrs Chilton richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und musterte ihn finster. »Es ist nicht meine Schuld, dass die Pläne geändert wurden. Aus heiterem Himmel kündigte Mrs Lake an, sie wolle Mrs Dove besuchen. Um drei wollte sie wieder da sein.«
»Jetzt ist es drei, Mrs Chilton.«
»Nun, sie ist noch nicht zurück. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber wenn sie da wäre, würde das Ihre Pläne ebenso
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