Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
sehen«, sagte sie bedächtig. »Die Frau stand im Ruf, ihr Geld zu benutzen, um ihrer Familie ihren Willen aufzuzwingen. Aber welchen Sinn hätte es gehabt, sie zu ermorden? Sie hatte für das Mädchen eine große Mitgift vorgesehen.«
»Nur wenn es einwilligte, Ferring zu heiraten«, rief Lavinia ihr in Erinnerung. »Nun aber verfügt ihr Vater über das Vermögen der Rowlands und die Werbung des jungen Ferring fand kein Gehör mehr. Das Mädchen kann nun einen anderen nehmen. Auch die übrigen zwei jungen Damen wurden davor bewahrt, sehr unglückliche Ehen eingehen zu müssen.«
»Sie wollen doch gewiss nicht andeuten, dass diese unschuldigen jungen Mädchen einen teuflischen Plan ausheckten und einen Berufsmörder angeheuert haben?«, grollte Tobias. »Das wäre völlig unglaubwürdig.«
Aspasia runzelte die Stirn. »Er hat Recht, Mrs Lake. Es ist eine interessante Theorie, aber man kann sich nur schwer vorstellen, dass zwei behütete und unerfahrene junge Damen auf die Idee verfielen, einen Mörder zu suchen. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihn bezahlen konnten.«
Lavinia straffte die Schultern auf eine Weise, die Tobias schon kannte. Sie war gewillt, ihre Position zu verteidigen.
»Ich möchte daraufhin weisen«, führte sie aus, »dass außer den jungen Damen viele Personen in deren Umgebung ein starkes Interesse an den Eheverträgen haben könnten.«
»Glaubst du, andere Familienmitglieder schreckten auch vor Mord nicht zurück, um die Heiraten zu verhindern?« Tobias verschränkte die Arme. »Ein geradezu irrwitziger Trugschluss. Wir sprechen von einem Täter, der den Mementomori-Mörder nachahmt. Undenkbar, dass ein Berufsmörder sich an eine kupplerische Mama verdingt.«
Zu seiner Verwunderung sprach Aspasia, ehe Lavinia antworten konnte.
»Die Ehe ist eine sehr ernste Angelegenheit, und junge Mädchen haben bei den Verbindungen, die für sie arrangiert werden, nur wenig zu sagen.« Sie verzog zynisch den Mund. »Das kann ich persönlich bestätigen. Mein Vater war um mein Glück wenig besorgt, als er das Angebot um meine Hand annahm.«
Der eisig scharfe Ton dieser Äußerung überraschte Tobias. Ihm fiel ein, dass Aspasia noch nie ihre kurze Ehe erwähnt hatte.
Lavinia musterte sie wortlos. Tobias spürte, dass sie plötzlich sehr daran interessiert war, was Aspasia zu sagen hatte.
»Solche Arrangements sind in gehobenen Kreisen nicht ungewöhnlich«, fuhr Aspasia fort. »Doch habe ich noch nie gehört, dass jemand einen Mord beging, um eine Hochzeit zu verhindern.«
»Ich als Berufsdetektivin«, sagte Lavinia nun mit so viel Autorität, wie ihr zu Gebote stand, »kann Ihnen versichern, dass es Fälle gibt, in denen Morde aus geringfügigeren Gründen begangen wurden.« Sie runzelte die Brauen, als sie Tobias anschaute. »Stimmt's?«
Da er in diesem kleinen Wortgefecht nicht zwischen die Fronten geraten wollte, suchte er einen diplomatischen Ausweg.
»Für einen Mord kann es viele Motive geben«, erwiderte er so neutral wie möglich.
Keiner der Damen schien die Antwort zu gefallen.
Aspasia runzelte die Stirn. »Hoffentlich werden Sie keine Zeit mit der Verfolgung falscher Spuren verlieren.«
Er neigte den Kopf. »Ich versuche es zu vermeiden.«
»Ich ebenso«, schloss Lavinia sich knapp an.
Aspasia stand auf. »Ich muss gehen. Bitte, halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Natürlich.« Tobias durchquerte den Raum, um für sie die Tür zu öffnen. »Guten Tag, Aspasia.«
Sie zögerte, ehe sie hinaus in die Diele ging. »Tobias, ich fürchte, wir haben keine Zeit zu verlieren. Sie müssen diesen Mementomori-Mann finden, und zwar rasch. Wer weiß, was er als Nächstes plant?«
Er umklammerte den Türknauf so fest, dass es ihn nicht gewundert hätte, wenn dieser in seiner Hand zersplittert wäre, »Mir ist klar, dass es sehr dringend ist.«
Mrs Chilton, die zufällig in der Diele war, öffnete dienstbeflissen die Haustür und Aspasia schritt rasch die Stufen hinunter.
Tobias wartete, bis sie außer Hörweite war. Dann nahm er seine Taschenuhr heraus und lächelte Mrs Chilton viel sagend an. »Ich glaube, Sie haben noch immer Zeit für Einkäufe.«
Mrs Chilton verdrehte die Augen. »Sehr wohl, Sir.« Sie warf einen Blick in den Salon und senkte die Stimme. »Aber beeilen Sie sich lieber. Miss Emeline kommt um fünf. Es wäre unangenehm, wenn sie in eine verfängliche Situation hineinplatzt.«
»Danke für die Warnung, Mrs Chilton, Sie können sicher sein, dass sie unnötig
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