Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
in seiner Rolle als Agent bei ihm Stammkunde geworden.
Sie kamen aus verschiedenen Welten, irgendwie aber hatte sich zwischen ihnen eine starke Bindung entwickelt, die auf gegenseitiger Wertschätzung ebenso beruhte wie auf gegenseitigem Nutzen. Ihre Verbindung war erhalten geblieben, nachdem jeder sich eine neue Tätigkeit gesucht hatte. Jacks Kneipe war ein ausgezeichneter Umschlagplatz für alle Arten von Klatsch und Gerüchten aus Londons krimineller Unterwelt. Und in seiner neuen Rolle als Privatdetektiv benötigte Tobias oft Informationen aus jener Sphäre.
»Der Mementomori-Mann.« Smiling Jack ließ sich mit seinem massigen Leib auf einen festen Stuhl nieder und kratzte sich geistesabwesend die hässliche Narbe, die sich von seinem Mundwinkel bis zu einem Punkt hinter dem Ohr zog. »Ist das der erste oder der zweite, von dem Sie reden?«
»Ich kam, um über den zweiten Mann, Zachary Eiland, zu sprechen, doch brauche ich jede Information, die ich über jeden der beiden bekommen kann.«
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann.« Jack umfasste sein
Glas mit großen Händen. »Als Eiland aktiv war, gab es Gerüchte über einen Gentleman-Mörder, aber wie Sie wissen, operierte er in einer besseren Gegend der Stadt und hatte Zugang zu exklusiven Kreisen. Soweit ich weiß, tauchte er weder für seine Kunden noch für seine Opfer oder seine Vergnügungen in die Slums ein. In dieser Hinsicht wenigstens könnte man sagen, dass er wie derjenige gehandelt hat, der vor ihm gewesen war.«
Tobias, der einen Schluck trinken wollte, hielt inne und senkte langsam das Glas. »Sie waren ein kleiner Junge, als die Geschichten über den ersten Mementomori-Mann in Umlauf waren. Was blieb Ihnen in Erinnerung?«
»Man sprach nur im Flüsterton über ihn. Es hieß, er sei so raffiniert, dass niemand wüsste, wie viele Aufträge er im Laufe seiner Karriere ausgeführt hätte. Die Morde sahen aus wie Unfälle oder Selbstmorde oder Herzanfälle. Er war legendär.«
»Weil er nie gefasst wurde?«
»Nein, weil es hieß, er sei auf seine Weise ein Ehrenmann. Er übernahm einen Auftrag nur, wenn er der Meinung war, das Opfer verdiene den Tod. Will man den Geschichten glauben, die man hörte, so zog er es vor, die Bösen und Schlechten unter den feinen Leuten zu verfolgen - Reiche und Mächtige, die andernfalls mit ihren Verbrechen davongekommen wären. Er tötete für einen gewissen Preis, aber nur, wenn er meinte, dass er damit eine Art von Gerechtigkeit übte.«
»Er ernannte sich also selbst zum Richter und Henker?«
»Ja, so sagte man.«
»Von Crackenburne weiß ich, dass die Gerüchte über ihn vor einigen Jahren verstummten. Er glaubt, dass der Mörder wahrscheinlich nicht mehr am Leben ist.«
»Sehr wahrscheinlich.« Jack blinzelte argwöhnisch. »Vor ein paar Jahren wurde gemunkelt, der Gentleman-Mörder hätte sein Geschäft aufgegeben und sich in einem Haus an der Küste niedergelassen.«
»Der Mementomori-Mann soll sich in ein Haus am Meer zurückgezogen haben?« Tobias fragte es fast amüsiert. »Was für eine idyllische Vorstellung. Schönen Legenden ist wohl ewiges Leben beschieden.«
»Wenn er nicht schon tot ist, dann ist er jetzt uralt und stellt für niemanden mehr eine Bedrohung dar.«
»Er ist gewiss nicht der Mörder, den ich im Moment suche. Mrs Lake konnte auf Beaumont Castle einen flüchtigen Blick auf unseren neuen Mementomori-Mann erhaschen. Er war als Frau verkleidet, doch war sie ganz sicher, dass der Mörder, ob männlich oder weiblich, nicht alt war. Er bewegte sich wie ein kräftiger, sportlicher junger Mensch.«
»Ist doch klar, dass einer aus dieser Branche gelenkig und bei Kräften sein muss«, sagte Jack. »Es ist mühsame Arbeit ... man muss durch Fenster im ersten Stock klettern und nachts um anderer Leute Häuser schleichen. Ganz zu schweigen davon, wie viel Kraft es kostet, jemanden zu ersticken oder unter Wasser zu halten, bis er ersäuft.«
»Eiland konnte das sehr gut.« Tobias stand auf. »Danke für den Cognac, Jack. Ich wüsste es zu schätzen, wenn Sie verbreiten, dass ich brauchbare Informationen über Eiland oder diesen neuen Mementomori-Mann gut bezahle.«
»Sie hören von mir, falls ich jemanden finde, der etwas weiß. Aber ich warne Sie, mein Freund. Die Chancen stehen nicht gut. Dieser Mörder kommt aus Ihrer Welt, nicht aus meiner.«
Hewlett-Packard
Kapitel 14
D ominic hielt das Brennglas schief, um die Strahlen der Morgensonne einzufangen und zu bündeln. Der
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