Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
Neigung zu Melodramatik. Aber ich wollte Ihnen etwas eindringlich zur Kenntnis bringen, von dem ich glaube, dass es Ihnen nicht ganz klar ist.«
»Und das wäre?«
»Ich weiß, Sie glauben, ich hätte es auf Tobias abgesehen, doch ist das nicht der Fall.« Aspasia blickte auf den Grabstein hinunter. »Es gibt nur einen Mann, den ich je liebte oder lieben werde, und der liegt hier.«
Lavinia las die schlichte Inschrift auf dem grauen Stein. Zachary Eiland. Gestorben 1898 . Von den abgestorbenen Blättern auf dem Grab schien durch einen kalten Windstoß ein Flüstern aufzusteigen.
»Ich verstehe«, sagte sie neutral.
»Da wir sein Geburtsdatum nicht kannten, mussten wir es weglassen.« Aspasia blickte unverwandt auf den Granit. »Wir entdeckten zu spät, dass es sehr viel gab, was wir über Zachary nicht wussten.«
»Wir?«
»Tobias und ich. Wir machten alles gemeinsam. Es gab ja niemand anderen.« Aspasia hielt inne. »Wir waren die Einzigen, die es der Mühe wert fanden, der Beerdigung beizuwohnen.«
»Ich verstehe.«
»Tobias und ich hatten Zacharys wegen viel gemeinsam. Aber wir waren nie intim. Das sollten Sie wissen.«
»Ich weiß es bereits. Von Tobias.«
Aspasia lächelte wissend. »Und Sie glauben ihm, weil Sie ihn lieben und ihm vertrauen.«
»Ja.«
»Die gleichen Gefühle brachte ich Zachary entgegen.«
»Das dachte ich mir. Es tut mir Leid, Aspasia.«
Aspasia richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Grabstein. »Als ich Zachary begegnete, hatte ich nicht die Absicht, mich zu verlieben, ganz zu schweigen davon, wieder zu heiraten. Ich hatte meine Lektion sehr früh lernen müssen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Mein Vater war ein überaus grausamer Mensch, der meiner Mutter das Leben so zur Hölle machte, dass sie es schließlich mit einer Überdosis Laudanum beendete, ein Ausweg, der mir verwehrt blieb. Ich war gezwungen, seine Tobsuchtsanfälle und, schlimmer noch, seine widernatürlichen Übergriffe zu dulden, bis ich sechzehn wurde. Danach arrangierte er eine Ehe für mich. Obwohl mein Mann viel älter war, hatte ich nichts gegen die Heirat, da ich sie für meine Rettung hielt.«
Lavinia schwieg, doch hatte sie den Eindruck, das tote Laub auf dem Grab flüstere jetzt lauter. Sie spürte, dass Aspasia die Wahrheit sprach.
»Stattdessen fand ich mich in einer anderen Hölle wieder. Mein Gemahl war so böse und kalt wie mein Vater. Es war mein großes Glück, dass er eines Nachts auf dem Ritt von London nach Hause von einem Strauchdieb erschossen wurde. Kurz darauf erlag mein Vater einem Fieber.«
»Aspasia, Sie brauchen mit mir nicht über diese Dinge zu sprechen. Es muss für Sie sehr schmerzlich sein.«
»Ja. So sehr, dass ich nur mit Zachary darüber sprach. Nicht einmal Tobias erzählte ich es. Aber ich möchte, dass Sie mich verstehen. Mit siebzehn stand ich allein auf der Welt und verfügte über ein großes Vermögen. Ich beschloss, dass nie wieder ein Mann über mein Schicksal bestimmen sollte.«
»Ich weiß, wie Sie sich gefühlt haben müssen«, sagte Lavinia leise.
»Mit fünfundzwanzig begegnete ich Zachary. Inzwischen war aus mir eine erfahrene Frau, eine Dame der Gesellschaft geworden. Ich hatte mir Liebhaber genommen, aber nie geliebt. Nicht ein einziges Mal kam es mir in den Sinn, ich könnte mich von einem Mann täuschen lassen. Aber alle meine Pläne und Überzeugungen waren wie weggepustet, als ich mein Herz an Zachary verlor.«
Die toten Blätter stoben auseinander, wie von Skelettf in gern bewegt.
»Ich kann nur ahnen, was es für Sie bedeutete, als Ihnen klar wurde, dass Sie sich an einen Mann gebunden hatten, dessen Beruf Mord war«, sagte Lavinia. »Was war der Grund, dass Sie seine wahre Natur entdeckten?«
»Es war nicht nur eine einzige Sache, die meinen Argwohn weckte. Es waren vielmehr eine Reihe ganz kleiner Vorfälle, die ein Schema ergaben, das ich nicht mehr übersehen konnte.«
»Was für Vorfälle?«
»Beispielsweise sein geradezu besessenes Interesse an den Nachforschungen, die Tobias in den rätselhaften Mordfällen unternahm. Sein Kommen und Gehen zu den absonderlichsten Zeiten. Zachary hatte immer sehr gute und völlig einleuchtende Erklärungen für sein gelegentliches Verschwinden. Aber eines Tages erfuhr ich ganz zufällig, dass er mich über seinen Aufenthalt am vorangegangenen Abend angelogen hatte. Der Zufall wollte es, dass es eine Nacht war, in der der Mementomori- Mann zugeschlagen hatte.«
»Da kam Ihnen der Gedanke, er könnte
Weitere Kostenlose Bücher